Die Linke sagte Nein!
Die klare Ablehnung des europäischen Verfassungsvertrages durch die Bürgerinnen und Bürger Frankreichs ist vor allem dem Nein der Linken zu verdanken. Was die Umfragen vor dem Referendum andeuteten, ist eingetreten: So gut wie alle Anhänger der Kommunistischen Partei aber auch die klare Mehrheit der sozialistischen und der grünen Wählerschaft haben am Sonntag mit Nein gestimmt. Das Nein dominierte eindeutig bei den Arbeitern und unter den abhängig Beschäftigten. Die Bedeutung dieses Ergebnisses wird noch durch die hohe Wahlbeteiligung unterstrichen, die mit mehr als 70 Prozent deutlich über der der letzten Europawahl lag. Es gingen auch mehr zu den Urnen als bei der Abstimmung über den Vertrag von Maastricht 1992.
Die Bürgerinnen und Bürger Frankreichs haben sich gegen das neoliberale Europa gewandt, gegen das Europa der Privatisierungen und des Abbaus sozialer Rechte, sie stimmten gegen den unbeschränkten Binnenmarkt einer Bolkestein- Richtlinie. Das von Frankreich ausgehende Signal ist eindeutig: Ein Europa des Marktes, des Sozialabbaus und der hemmungslosen Konkurrenz jeder gegen jeden findet keine Unterstützung in der Bevölkerung. Das französische Nein verlangt jetzt in allen Mitgliedsländern ein politisches Umdenken, vor allem auch in Deutschland. Ein einiges Europa kann nur aufgebaut werden und hat nur dann dauerhaft Bestand, wenn es das historisch gewachsene europäische Sozialmodell bewahrt und weiter entwickelt. Das zukünftige Europa muss ein friedliches sein, das im Gegensatz zum US-amerikanischen Weg der Militarisierung der internationalen Beziehungen steht. Das künftige Europa muss demokratisch aufgebaut sein. Die demokratischen Errungenschaften der Partizipation, die in langen und opferreichen Kämpfen innerhalb der europäischen Nationalstaaten erreicht wurden, dürfen nicht länger anonymen und bürokratischen Entscheidungsfindungen geopfert werden.
Der gegenwärtige Verfassungsvertrag bietet für all dies keine Grundlagen. Er ist zu Recht abgelehnt worden. Nach dem französischen Referendum ist er nur noch Geschichte. Die Bürgerinnen und Bürger Frankreichs haben diesen Verfassungsvertrag auch im Namen all der Kritiker in den anderen Mitgliedsländern verworfen, denen – wie in Deutschland – dieses Recht vorenthalten wird. Dafür gebührt ihnen unser Dank! Es ist jetzt an der Zeit, eine wirkliche europäische Verfassung zu schreiben, die von Beginn an die Völker mit einbezieht. Das Nein Frankreichs hat den Weg dafür frei gemacht. Es ist ein Sieg Europas!