„Es deutet alles darauf hin, dass die EU und die EU-Staaten sich hier zur postkolonialen Rohstoffsicherung einschreiben.“ Interview zu Kongo und EU-Polizeiausbildung mit Tobias Pflüger in „Zeitung gegen den Krieg“ Nr. 21, August 2005
Sie haben den Rückzug der EU-Militär- und -Polizeiberater aus der Demokratischen Republik Kongo gefordert. Was war der Anlass?
Ende Juni haben in Kongos Hauptstadt Kinshasa Polizisten auf Demonstranten geschossen, die friedlich gegen die Verschiebung der Wahlen protestiert hatten. Mehrere Menschen sind getötet worden sein, und einiges deutet darauf hin, dass die beteiligten Einheit zuvor von EU-Personal ausgebildet wurden. Wenn das so ist, dann müssen diese Militärberater dringend abgezogen werden, denn es kann natürlich nicht hingenommen werden, dass die EU ein solches Vorgehen unterstützt, zumal der Grund des Protestes ein offenbar sehr berechtigter gewesen ist.
Was spricht dafür, dass die Polizisten von EU-Beratern ausgebildet wurden?
Es gibt einen EU-Polizeieinsatz in Kinshasa, EUPOL Kinshasa, die die kongolesische Polizei ausbilden soll. Zudem sitzen im Rahmen der EUSEC-Mission in wichtigen Schaltstellen der kongolesischen Sicherheitsbehörden jetzt EU-Militärberater, die offiziell „Rat und Hilfe für eine Reform des Sicherheitssektors“ leisten. Wenn es jetzt heißt, das habe nichts mit den Einsätzen gegen Demonstranten zu tun, dann bin ich zunächst einmal sehr skeptisch. Aber selbst wenn sich herausstellen sollte, dass die Todesschüsse nicht von EU-ausgebildeten Einheiten abgegeben wurden, stellt sich angesichts der Vorfälle und der Verschiebung der Wahlen die Frage, was für eine Regierung die EU dort unterstützt und was der Zweck dieser Polizei- und Militärberater ist. Eine Aufklärung über die Rolle der EU-Beamten wurde im Europäischen Parlament bisher verschleppt, insbesondere vom Ausschussvorsitzenden des Sicherheits- und Verteidigungsausschuss. Als Termin für eine Vorladung der Verantwortlichen in den Ausschuss wurde jetzt September genannt.
Was ist der offizielle Auftrag dieser Mission?
Das habe ich auch im Unterausschuss Sicherheit und Verteidigung gefragt, als uns der Einsatz im Mai vorgestellt wurde. Offiziell tritt sie die Nachfolge der Operation Artemis an und soll der Ausbildung der kongolesischen Sicherheitskräfte dienen, also eine Polizeimission, die jedoch in den Rahmen der EU-Verteidigungs- und Sicherheitspolitik eingebunden ist. Im Ausschuss wurde das seinerzeit als eng an die Idee der Carabinieri angelehnt beschrieben, also als eine militärische Polizei. Überhaupt gibt es einen Trend, bei Auslandseinsätzen verstärkt auf Polizisten zurückzugreifen. Das hat für die Regierungen unter anderem den Vorteil, daß die Bestimmungen nicht so strikt sind, wie im Falle des Einsatzes von Soldaten.
Welche Länder sind in Kinshasa beteiligt? Sind auch deutsche Beamte im Einsatz?
Die Leitung wird von Frankreich gestellt. Auch Belgien als ehemalige Kolonialmacht beteiligt sich. Ob deutsches Personal beteiligt ist, ist unklar, aber bei der Vorgängermission war deutsches Militär dabei.
Wie muss man sich das vorstellen? Welche Gremien beschließen solche Einsätze?
In diesem Fall der Europäische Rat, das heißt die Staats- und Regierungschefs. Das EU-Parlament wird lediglich darüber informiert.
Was interessiert die EU der Kongo??
Im Kongo geht es klar um EU-Interessenpolitik. Als Rohstofflieferant ist dieses Land einfach attraktiv für die Mitgliedstaaten der EU. Wie so oft werden die Menschenrechte als Argument nur vorgeschoben. Belgische Konzerne sind mit viel Tradition weiter aktiv bei der Rohstoffausbeutung. Die französische Ölfirma Total-Elf hat sich die Rechte vor der schmalen Küste gesichert. Als Kriegsgewinnler beutete
die deutsche Firma „Gesellschaft für Elektrometallurgie“ bzw. später ihr früherer Geschäftsführer Karl-Heinz Albers jahrelang Erzbergwerke nach Pyrochlor aus, die Firma H. C. Starck gewann hier Coltan. Heute geht es vor allem um Zinnerz. Wie in den deutschen „Verteidigungspolitischen Richtlinien“ und dem „European Defense Paper“ beschrieben, deutet alles darauf hin, dass die EU und die EU-Staaten sich hier zur postkolonialen Rohstoffsicherung einschreiben.
Interview: Wolfgang Pomrehn