»Den Druck auf Ankara erhöhen«

Feleknas Uca über Hürden eines EU-Beitritts

ND: Die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei stehen vor der Tür. Ist das Land überhaupt schon bereit, EU-Mitglied zu werden?
Uca: Nein. Noch immer erfüllt die Türkei nicht alle politischen Kriterien, die eine Aufnahme in die EU rechtfertigen würden. Zwar wurden neue Gesetze verabschiedet, doch es mangelt nach wie vor an deren Umsetzung. Hinzu kommt das Menschenrechtsproblem. Nach dem neuerlichen Aufflammen der militärischen Auseinandersetzungen in den Kurdengebieten im Südosten des Landes haben die Repressionen gegen die Zivilbevölkerung zugenommen. Fast täglich sterben dort Menschen.

Aber vor allem die Kurden setzen sich für einen EU-Beitritt ein.
Das ist richtig, denn eine EU-Mitgliedschaft ist die einzige Chance, dass sich die Türkei wirklich verändert. Vor allem im Südosten setzen die Menschen daher große Hoffnungen in die Beitrittsverhandlungen. Zum einen, damit dieser wirtschaftlich unterentwickelte Teil der Türkei mit einer Arbeitslosenquote von 70 Prozent endlich Unterstützung bekommt. Zum anderen, damit sich die Türkei auch als demokratischer Staat an Europa anpasst.

Hat die Beitrittsperspektive nicht schon zur Verbesserung der Menschenrechtslage geführt?
Ja und nein. Ministerpräsident Erdogan hat inzwischen zwar anerkannt, dass es die kurdische Frage gibt. Aber das Problem ist, dass die Regierung weiterhin zu wenig dafür tut, um den Konflikt zu lösen und für eine Aussöhnung von Kurden und Türken zu sorgen. Im Gegenteil. Durch die verstärkten Repressionen der Sicherheitskräfte werden die Menschen in den Kurdengebieten weiter eingeschüchtert.

Wie werden sich die Verhandlungen entwickeln?
Bislang hat kaum ein europäischer Regierungschef die Türkei ernsthaft zur Beseitigung der angesprochenen Defizite gedrängt. Daher ist es Aufgabe von EU-Parlament und EU-Kommission, den Druck auf Ankara weiter zu erhöhen, wenn die Gespräche am Montag beginnen.
Die Türkei muss dazu gebracht werden, alle Kriterien umzusetzen, die für den Beitrittsprozess wichtig sind. Dazu gehört auch, die Menschenrechtslage im Land zu verbessern und sich für eine friedliche Lösung der kurdischen Frage einzusetzen.

Fragen: Stefan Mentschel

Quelle:
Neues Deutschland