Kampf gegen Bolkestein geht weiter
Linksfraktion des Europaparlaments bereitet sich in Potsdam auf Sitzungsperiode vor
Der erweiterte Vorstand der linken GUE/NGL-Fraktion im EU-Parlament tagt derzeit in Potsdam. Ein Schwerpunkt der Beratungen vom 31. August bis 2. September ist dabei die Auseinandersetzung mit den umstrittenen Dienstleistungs- und Arbeitszeitrichtlinien der Europäischen Union.
Die Abgeordneten des Europäischen Parlaments sind aus der Sommerpause zurück. Seit Montag müssen sie sich wieder durch Aktenberge kämpfen und so manchen Sitzungsmarathon in Ausschuss oder Plenum durchstehen – mal in Brüssel, mal in Straßburg. Auch den 41 Parlamentariern der Konföderalen Fraktion der Vereinigten Europäischen Linken / Nordische Grüne Linke (GUE/NGL) steht eine arbeitsintensive Sitzungsperiode bevor.
Um die Eckpunkte der parlamentarischen Arbeit für die kommenden Monate abzustecken, hat die Fraktion nach Potsdam zur erweiterten Vorstandsitzung geladen. Im Mittelpunkt der dreitägigen Beratungen, die am heutigen Freitag zu Ende gehen sollen, stand vor allem die Auseinandersetzung mit den umstrittenen Dienstleistungs- und Arbeitszeitrichtlinien.
»Nach Ablehnung der EU-Verfassung in Frankreich und in den Niederlanden kann unsere Fraktion eine wichtige Rolle im Parlament spielen«, glaubt der Italiener Roberto Musacchio von der Rifondazione Comunista. »Denn die Referenden haben gezeigt, dass die Idee eines neoliberalen Europas nicht mehrheitsfähig ist.« Vor allem der Kampf gegen die so genannte Bolkestein-Richtlinie steht für Musacchio an erster Stelle. Trotz zugesagter Verbesserungen nach den massiven Protesten im Frühjahr habe sich im Grundsatz wenig geändert. »Ziel dieser Direktive ist es nach wie vor, das europäische Sozialmodell abzuschaffen und die Arbeitnehmerrechte einzuschränken. Daher werden wir harte Oppositionspolitik betreiben, um Bolkestein zu Fall zu bringen.«
Die Portugiesin Ilda Figueiredo (PCP/PEV), stellvertretende Fraktionsvorsitzende der GUE/NGL, schließt sich ihrem Kollegen vorbehaltlos an. »Die Auseinandersetzung mit der Dienstleistungsrichtlinie ist eine unserer wesentlichen Aufgaben in den kommenden Monaten.« Ein grundlegendes Problem sei das Herkunftslandprinzip, denn es würde Unternehmen europaweit ermöglichen, Dienstleistungen zu den Bedingungen ihres Heimatlandes anzubieten. Damit wäre nach Ansicht Figueiredos eine weitere Aushöhlung der sozialen Standards programmiert.
»Bereits vor der Sommerpause haben wir in den Ausschüssen zahlreiche Änderungsvorschläge zu Bolkestein vorgelegt«, ergänzt die Vize-Vorsitzende. Das zeige, dass sich GUE/NGL trotz ihrer Ablehnung konstruktiv in die Debatte einbringe. Gleichzeitig solle aber die Zusammenarbeit mit Nichtregierungsorganisationen weiter intensiviert werden, um auch außerhalb des Parlaments Druck ausüben zu können.
Zugleich kämpft die Linksfraktion gegen die von der EU-Kommission vorgelegte Arbeitszeitrichtlinie. Die 1993 verabschiedete Regelung sieht eine maximale Wochenarbeitszeit von 48 Stunden vor. In Zukunft soll es Unternehmen jedoch erheblich erleichtert werden, diesen Wert zu überschreiten. »Die Arbeitszeitrichtlinie unterminiert die Errungenschaften eines jahrzehntelangen gewerkschaftlichen Kampfes«, betont Figueiredo, »und katapultiert die Arbeitnehmerrechte zurück ins 19. Jahrhundert«. Die Linkspartei-Abgeordnete Sylvia-Yvonne Kaufmann zeigte sich jedoch skeptisch, ob es gelingt, Gewerkschaften und Soziale Bewegungen ähnlich stark zu mobilisieren wie im Falle Bolkestein. Entscheidend werden nach Einschätzung Figueiredos auch die Neuverhandlungen zum EU-Haushalt für die Jahre 2007 bis 2013 sein. Hier wolle die Fraktion Akzente setzen, denn ohne eine ausreichende Finanzierung sei solidarische Politik nicht möglich. Wie die konkret aussehen soll, möchte man bis Jahresende in einem eigenen »alternativen Sozialmodell für Europa« umreißen. In Potsdam wurde schon einmal darüber debattiert.
Quelle:
Neues Deutschland