Redebeitrag in der Aussprache über die Erklärungen des Rates und der Kommission zur Halbzeitüberprüfung der Lissabon-Strategie
Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen,
der Unterschied bei der Halbzeitbewertung der Lissabonstrategie und den sich daraus ergebenden Schlussfolgerungen zwischen der Mehrheit des Hauses und meiner Fraktion liegt darin, dass die Mehrheit prinzipiell den eingeschlagenen Weg einer angebotsorientierten Wirtschaftspolitik mit verstärktem Wettbewerb fortsetzen will. Wir aber sagen: Dieser Weg ist falsch. Die Schaffung von Arbeitsplätzen muss im Mittelpunkt stehen. Dieses Ziel erreicht man aber nur, wenn die Nachfrage nach Produkten steigt und die Wirtschaft sich gezwungen sieht, Erweiterungsinvestitionen vorzunehmen, um einem gewachsenen Bedarf Rechnung tragen zu können.
Die vorliegenden Daten müssten doch auch dem neoliberalsten Wirtschaftsdenker Anlass sein, zu akzeptieren, dass Steuersenkungen bei nicht vorhandener Nachfrage keinerlei neue Arbeitplätze schaffen. Im Gegenteil: Durch Rationalisierungen werden diese vernichtet und der gestiegene Ertrag wird weder reinvestiert noch dem Staatshaushalt über Steuern zugeführt.
„Lissabon-Strategie“ darf eben nicht heißen, Wettbewerb um die höchsten Erträge, sondern Wettbewerb um hoch qualifizierte Arbeitsplätze, hervorragende Bildung und Ausbildung, Verbesserung der Qualität der Erzeugnisse zur Gewährleistung eines hohen Umweltstandards und Verbraucherschutzes. Dies bedeutet auch, dass die unteren Einkommensgruppen, deren Sparquote nicht steigt, entweder höhere Löhne erhalten müssen oder deren Steuern zu senken sind. Ausreichender verteilungspolitischer Spielraum steht zur Verfügung, da sich die Produktivität in den letzten Jahren viel schneller entwickelt hat als der Lohnzuwachs. Diese gewachsene Produktivität drückt sich im Übrigen auch in der positiven Außenhandelsbilanz der Mehrzahl der Mitgliedstaaten der Europäischen Union aus. Trotz hoher Sozialtransferleistungen können von ihnen weltmarktfähige Produkte angeboten werden. Niedriglohnarbeitsplätze, Teilzeitarbeitsplätze leisten hingegen keinen Beitrag, die Geißel der Arbeitslosigkeit los zu werden. Wer die stärkste Wirtschaftsregion der Welt bis 2010 schaffen will, muss sich vorrangig um die soziale und ökologische Europäische Union kümmern. Dies ist die beste Wirtschaftsförderung, die man sich vorstellen kann.