Bundeswehr wird 50: Beteiligung an EU-Militäreinsätzen soll ausgeweitet werden von TOBIAS PFLÜGER, erschienen in SOZ – Sozialistische Zeitung, Juli 2005

»Mehr als 9,2 Millionen Menschen waren in den zurückliegenden 50 Jahren Soldat oder Soldatin der Bundeswehr. Circa 152000 Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr haben seit der UN-Mission in Kambodscha 1992 an Auslandseinsätzen der Bundeswehr teilgenommen. Rund 60 bezahlten dieses Engagement mit ihrem Leben. Etwa die gleiche Anzahl wurde schwer verletzt. Knapp 6500 Soldatinnen und Soldaten beteiligen sich derzeit an den acht Auslandseinsätzen der Bundeswehr«, so preist die Bundeswehr selbst auf ihrer Homepage die vergangenen 50 Jahre an. Soweit die Propaganda: Es werden mehr Tote und Verletzte gewesen sein.
Die Militarisierung der Europäischen Union wird für eine Durchsetzung von Auslandseinsätzen der Bundeswehr immer wichtiger. Beim Festakt zum 50-jährigen Bestehen der Bundeswehr, sprach sich deshalb Kanzler Gerhard Schröder auch für eine »europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik« als »zweites Standbein deutscher Außen- und Sicherheitspolitik«. Diese solle die NATO nicht ersetzen, aber »sinnvoll« ergänzen. »Ziel ist eine bessere Handlungsfähigkeit der Europäischen Union.« Das bleibe auch nach der Ablehnung des EU-Verfassungsvertrags in Frankreich und den Niederlanden so.
Mit über 1000 Soldaten beteiligt sich die Bundeswehr derzeit am Bosnien-Einsatz der EU, genannt »Operation ALTHEA«. Dieser EU- Militäreinsatz ist der bisher größte in der Geschichte der Europäischen Union. Der deutsche Admiral Rainer Feist, bis Mitte September 2004 stellvertretender Oberbefehlshaber der NATO in Europa (DSACEUR des SHAPE) und gleichzeitig auch der militärische Chef der EU-Mission, hatte betont, dass die Europäische Union sich für die Operation Personal und Geräte bei der NATO ausleiht — nur die politische Verantwortung werde wechseln. Im Unterausschuss für Sicherheit und Verteidigung des Europäischen Parlaments erklärte er offenherzig, dass für die Umwidmung eines NATO-Quartiers in ein EU-Quartier lediglich das »Heraushängen der EU-Fahne« vonnöten sei. Als Zwischenschritt greift die EU auf NATO-Kapazitäten zurück. Ziel ist aber die EU als unabhängigen militärisch basierten global player zu etablieren — mit der Bundeswehr ganz vorne mit dabei.
Bald sollen weitere und anspruchsvollere Militärmissionen folgen. Die grüne Europaabgeordnete Beer fabuliert schon von einer baldigen EU- Übernahme der Kosovo-Mission. Schon jetzt soll die EU in der Lage sein zwei größere Militäroperationen gleichzeitig durchzuführen. Der Beauftragte für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik Javier Solana spricht von einer Entwicklung mit »Lichtgeschwindigkeit«. Deutschland treibt den Militarisierungsprozess der EU entscheidend mit voran. Denn eins ist klar. Die Auslandseinsätze der Bundeswehr können nirgends mehr Legitimation erheischen, als unter dem EU-Sternenbanner. Fest steht nach 50 Jahren erinnert fast nichts mehr an einen Auftrag der Bundeswehr, der sich auf die Territorialverteidigung beschränkt. Die Verteidigung Deutschlands am Hindukusch, wie es Verteidigungsminister Struck will, ist schon längst das prägende Element für Strategie- und Zukunftsplanung der Bundeswehr.
»Europäische Soldaten sind unsere Visitenkarten in der Welt«, mit diesem Worten hatte jüngst der luxemburgische Verteidigungsminister Luc Frieden, bejubelt, dass die EU-Verteidigungsminister sich auf einen Verhaltenskodex für Militärinterventionen geeinigt hatten. Auch die Bundeswehr ist dabei ihre Visitenkarte global zu hinterlassen. Dieser Eindruck verstärkt sich auch durch die Nachrichten der letzten Wochen aus Afghanistan. Dort weist viel darauf hin, dass die Entsendung des KSK ein zentraler Baustein beim Aufbau eines effektiven Besatzungsregimes ist, das sich auf das gesamte afghanische Territorium erstreckt. Das ist die Normalität, um die es der deutschen Bundesregierung nach 50 Jahren Bundeswehr geht — ob mit NATO, EU oder UN-Mandat.

Tobias Pflüger ist Abgeordneter der linken Fraktion GUE/NGL im Europäischen Parlament