Nein zur Liberalisierung. Artikel erschienen in Neues Deutschland, 22. April 2005

EU-Kommission hebt Hafendienstleistungsrichtlinie erneut auf die Agenda

Wer glaubte, dass die so genannte Bolkesteinrichtlinie ein Ausrutscher gewesen sei, muss sich spätestens jetzt eines Besseren belehren lassen. In der EU gilt ein generelles Liberalisierungsgebot, und was von Bolkestein ausgespart bleibt, soll über sektorielle Regelungen unter den Hammer kommen. So auch der Verkehrsbereich, der bis auf Geld- und Leichentransporte (welch bezeichnende Kombination) nicht der Richtlinie unterliegen soll.

Nachdem Eisenbahn- und Flugverkehr bereits liberalisiert worden sind, unternimmt die EU-Kommission einen erneuten Vorstoß in Richtung Hafendienstleistungen. Wir erinnern uns: Das Europäische Parlament (EP) hatte am 20. November 2002 das gesamte Projekt platzen lassen, nachdem der Rat auch im Vermittlungsverfahren nicht bereit war, den Forderungen der Abgeordneten entgegenzukommen. Die Kommission ließ sich davon nicht beirren und schob ein knappes Jahr später einen neuen »Richtlinienvorschlag über den Zugang zu Hafendienstleistungen« nach.

Der Verkehrsausschuss des Parlaments beschäftigte sich am Dienstag damit. Es zeigte sich, dass die Kommission die Anliegen des EP nicht nur komplett ignoriert hat. Die neue Gesetzesvorlage geht sogar über den ersten Entwurf (2002) weit hinaus.
Der Vorschlag umfasst nun eine obligatorische Genehmigung jeder Dienstleistungserbringung in Häfen durch die Kommission, was eine Aushebelung des Subsidiaritätsprinzips darstellt, und kürzere Geltungsdauern der Dienstleistungslizenzen.

Der Anwendungsbereich der Richtlinie erfasst erneut die Lotsendienste, obwohl das Parlament sie herausgenommen hatte. Gleiches gilt für die Tätigkeiten Löschen, Laden, Stauen, Umladen und alle Transporttätigkeiten am Terminal.
Zudem soll eine Verpflichtung zur Ausschreibung unter den bisherigen und neuen Dienstanbietern durchgesetzt werden. Genau diese Ausschreibungspflicht hatte das Parlament auch bei der Verordnung über den öffentlichen Personennahverkehr zurückgewiesen. Die Ausgleichszahlungen für ausscheidende Dienstanbieter würden derart reduziert, dass sich Investitionen in Hafeneinrichtungen nicht mehr lohnen. Dies führt zu einem massiven Abbau von Sicherheitsstandards. Die Selbstabfertigung des Schiffes durch seemännisches Personal reduziert den Arbeitsschutz in inakzeptabler Weise und führt zu massivem Arbeitsplatzabbau beim Hafenpersonal.

Eine Ohrfeige für das Parlament. Es darf mitentscheiden, wird aber ausgebootet, sobald es vom gewünschten Kurs abweicht.
Im Gesetzgebungsverfahren kommen Kommission und Rat am Parlament dennoch nicht vorbei. Daher pokern beide hoch: Je rigider der Ausgangstext, desto liberaler der ausgehandelte Kompromiss.

Dabei ist die Einführung von Wettbewerb in Häfen überhaupt nicht notwendig. Die Seehäfen, die immerhin 95 Prozent der EU-Exporte abwickeln, rufen in ihrer jetzigen Struktur keinerlei Probleme beim Warenaustausch hervor. Regelungsbedarf besteht lediglich hinsichtlich einer transparenten Verwendung staatlicher Beihilfen. Sinn also macht eine solche Richtlinie nur, wenn man Liberalisierung um der Liberalisierung willen fordert, ganz im Geiste der in Teil III der EU-Verfassung beschworenen »offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb«.

Im Juni plant das EP eine Anhörung zum Thema. Unabhängig davon gilt es jedoch jetzt aktiv zu werden. Über den Kampf gegen die Dienstleistungsrichtlinie darf der Widerstand gegen die sektoriellen Liberalisierungsprojekte der EU nicht vergessen werden. Neben den Hafendiensten muss auch mit einem Vorstoß in Richtung ÖPNV gerechnet werden. Die linke Fraktion wird sich wieder mit den betroffenen Dockern gegen die unsinnige Hafenliberalisierung wehren.