EU-Afrika-Strategie ist widersprüchlich
Zu der von der EU-Kommission vorgestellten „Strategie für Afrika“ erklärt Dr. Sylvia-Yvonne Kaufmann, Europaabgeordnete der Linkspartei.PDS und Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments:
Flüchtlingsdramen, wie wir sie derzeit an den afrikanischen EU-Außengrenzen von Melilla und Ceuta erleben, lassen sich nur durch eine grundlegende Verbesserung der Lebensbedingungen der Menschen in Afrika beenden – und das ist gewiss eine Mammutaufgabe. Deshalb macht der Ansatz der für zehn Jahre bemessenen EU-Afrika-Strategie Sinn, wonach das Einwanderungsproblem an den europäischen Grenzen zu Afrika nur durch die Behebung der Ursachen in Afrika selbst gelöst werden könne – und das heißt Überwindung der Verelendung der Menschen auf diesem Kontinent. Unter anderem sind die Verdoppelung der Entwicklungshilfe, die Förderung der Bildungs- und Gesundheitssysteme, ein europäisches „Peace Corps“ sowie europäisch-afrikanische Partnerschaften von Parlamenten, Gemeinden, Schulen, Universitäten oder Unternehmen vorgesehen. Das alles stimmt.
Dennoch kann von einer stimmigen Gesamtstrategie keine Rede sein, wenn gleichzeitig die Stacheldrahtzäune erhöht und nach dem Willen der EU-Innenminister im Rahmen von „Schutzprogrammen“ Auffanglager für Flüchtlinge auf afrikanischem Territorium errichtet werden. Die zunehmende Arbeitsimmigration von Süd nach Nord kann nicht durch Abschottung bekämpft werden. Es ist zynisch, den Flüchtlingsschutz auf arme Staaten wie Marokko oder Tansania abzuwälzen.
Ob die EU und mithin die alten europäischen Kolonialmächte mit ihren afrikapolitischen Vorstellungen ihrer Verantwortung gerecht werden, darf jedoch bezweifelt werden. Teile der verkündeten Afrika-Strategie erinnern schon an alte Kolonialzeiten. So soll als ihr zentrales Ziel der Bau von Schienen- und Straßennetzen und die Wasser- und Energieversorgung forciert werden, um afrikanische Exportprodukte schneller auf die Weltmärkte zu bringen. Afrika, so EU-Kommissionspräsident Barroso, benötige Infrastrukturprogramme, um von der Liberalisierung des Welthandels zu profitieren. Afrika als Rohstofflieferant für die Weltmärkte. Genau das war das Konzept der Kolonialmächte. Heute wollen das die Multis in der EU. Schließlich will sich die Kommission offenbar nicht mit der europäischen Agrarlobby anlegen, obwohl es gerade die immense Agrarsubvention in Europa ist, die den Afrikanern ihre Existenzgrundlagen raubt und sie zur Flucht zwingt.
Brüssel, den 14. Oktober 2005
Zu der von der EU-Kommission vorgestellten „Strategie für Afrika“ erklärt Dr. Sylvia-Yvonne Kaufmann, Europaabgeordnete der Linkspartei.PDS und Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments:
Flüchtlingsdramen, wie wir sie derzeit an den afrikanischen EU-Außengrenzen von Melilla und Ceuta erleben, lassen sich nur durch eine grundlegende Verbesserung der Lebensbedingungen der Menschen in Afrika beenden – und das ist gewiss eine Mammutaufgabe. Deshalb macht der Ansatz der für zehn Jahre bemessenen EU-Afrika-Strategie Sinn, wonach das Einwanderungsproblem an den europäischen Grenzen zu Afrika nur durch die Behebung der Ursachen in Afrika selbst gelöst werden könne – und das heißt Überwindung der Verelendung der Menschen auf diesem Kontinent. Unter anderem sind die Verdoppelung der Entwicklungshilfe, die Förderung der Bildungs- und Gesundheitssysteme, ein europäisches „Peace Corps“ sowie europäisch-afrikanische Partnerschaften von Parlamenten, Gemeinden, Schulen, Universitäten oder Unternehmen vorgesehen. Das alles stimmt.
Dennoch kann von einer stimmigen Gesamtstrategie keine Rede sein, wenn gleichzeitig die Stacheldrahtzäune erhöht und nach dem Willen der EU-Innenminister im Rahmen von „Schutzprogrammen“ Auffanglager für Flüchtlinge auf afrikanischem Territorium errichtet werden. Die zunehmende Arbeitsimmigration von Süd nach Nord kann nicht durch Abschottung bekämpft werden. Es ist zynisch, den Flüchtlingsschutz auf arme Staaten wie Marokko oder Tansania abzuwälzen.
Ob die EU und mithin die alten europäischen Kolonialmächte mit ihren afrikapolitischen Vorstellungen ihrer Verantwortung gerecht werden, darf jedoch bezweifelt werden. Teile der verkündeten Afrika-Strategie erinnern schon an alte Kolonialzeiten. So soll als ihr zentrales Ziel der Bau von Schienen- und Straßennetzen und die Wasser- und Energieversorgung forciert werden, um afrikanische Exportprodukte schneller auf die Weltmärkte zu bringen. Afrika, so EU-Kommissionspräsident Barroso, benötige Infrastrukturprogramme, um von der Liberalisierung des Welthandels zu profitieren. Afrika als Rohstofflieferant für die Weltmärkte. Genau das war das Konzept der Kolonialmächte. Heute wollen das die Multis in der EU. Schließlich will sich die Kommission offenbar nicht mit der europäischen Agrarlobby anlegen, obwohl es gerade die immense Agrarsubvention in Europa ist, die den Afrikanern ihre Existenzgrundlagen raubt und sie zur Flucht zwingt.
Brüssel, den 14. Oktober 2005