Schwazer Freitag für Europa
Die Suche nach den vermeintlichen Schuldigen für das Scheitern dieses Gipfels ist reine Augenwischerei. Bereits mit ihrer Entscheidung vom Donnerstag, den Ratifizierungsprozess der EU-Verfassung zu verlängern, untermauerten die versammelten Staats- und Regierungschefs ihre Unfähigkeit zu einem generellen Kurswechsel in der weiteren Ausgestaltung der Europäischen Union, wie ihn die Mehrheit der Europäer fordert.
Das Nein der Franzosen und Niederländer zum Verfassungsvertrag hätte längst in Berlin und den anderen Hauptstädten der Union als warnendes Signal erkannt und entsprechend beantwortet werden müssen. Die Verfassung in dieser Form ist juristisch gescheitert und politisch tot. Eine Fortführung des europäischen Integrationsprozesses wird nur unter einer ernsthaften Einbeziehung der Bürgerinnen und Bürger erfolgreich sein. Dies setzt eine grundlegende Debatte über Ziele und Politik in einem vereinten Europa voraus. Der Kanzler wie auch seine potentielle Nachfolgerin müssen in den kommenden Monaten einen Wechsel des politischen Kurses nicht nur auf nationaler, sondern auch auf europäischer Ebene herbeiführen. Im Mittelpunkt müssen endlich die Sorgen und Nöte der Menschen stehen.
Indem die Gipfelteilnehmer jedoch bereits zu Beginn einer Neueröffnung der Verfassungsdiskussion auswichen, haben sie sich gleichzeitig den Weg verbaut, im Streit um die EU-Finanzplanung für 2007 – 2013 eine nachhaltige Lösung im Interesse Europas zu finden. In gleichem Maße, wie die Verfassung nicht ein elitäres Projekt sein kann, bedarf auch der weitere wirtschaftliche und soziale Ausbau der EU nicht vereinzelter Korrekturen, sondern einer kompletten Abkehr vom bisherigen einseitig neoliberalen Dringen nach Stärke des europäschen Marktes. Erst wenn solidarische Prinzipien und ein wahrhaft europäischer Geist erneut das gemeinsame Handeln innerhalb der Europäischen Union bestimmen, können die Herausforderungen der Union der 25 gemeistert werden. Hierin besteht die Grundschuld gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern.