Merci, Frankreich!

Zum Ausgang des EU-Verfassungsreferendums in Frankreich erklärt Sahra Wagenknecht, PDS-Europaabgeordnete und Mitglied des PDS-Parteivorstands:

Die Zahlen aus Frankreich belegen: Die Bevölkerung steht mehrheitlich nicht hinter dem von der EU vorgegebenen neoliberalen und unsozialen Kurs. Auch die von französischer Regierung und EU-Spitze für den Fall einer Ablehnung des Verfassungsvertrags heraufbeschworenen Katastrophenszenarien konnten die Franzosen nicht zu einem Ja bewegen: Offensichtlich schien ihnen nicht die Ablehnung des Verfassungsvertrags, sondern im Gegenteil seine Verabschiedung aus gutem Grund die eigentliche Katastrophe zu sein. Dabei dürfte die angesichts der ablehnenden Umfrageergebnisse in Gang gesetzte Propagandamaschinerie die Skepsis der Franzosen eher noch verstärkt zu haben.

Das Signal aus Frankreich zeigt klar: Die Menschen erteilen dem derzeitigen Kurs der EU eine Absage. Bestrebungen, den Ausgang des Referendums jetzt zu einem Sieg der äußersten Rechten und zu einem Votum gegen einen Beitritt der Türkei umzudefinieren, verfangen angesichts der deutlichen Ablehnungsquote und der hohen Wahlbeteiligung in Frankreich nicht. Das Referendum in Frankreich war keine Abstimmung gegen neue EU-Mitglieder, sondern gegen den neoliberalen und unsozialen Kurs der bestehenden EU.

Der Ausgang des französischen Referendums bestätigt, um mit Abraham Lincoln zu sprechen, dass man in der Tat nicht alle Menschen die ganze Zeit täuschen kann. Insofern unterstreicht das Abstimmungsergebnis auch die Richtigkeit der Forderung nach einem Referendum, das der deutschen Bevölkerung bekanntlich verweigert worden ist. Nicht die Regierungen, sondern die Bevölkerung sollte entscheiden, in was für einem Europa sie leben will. Das gestrige Abstimmungsergebnis macht klar, dass jedenfalls die Franzosen den gegenwärtigen EU-Kurs ablehnen. Sollten die derzeitigen Umfragen stimmen, so dürfte das negative Votum der Franzosen am Mittwoch auch von der niederländischen Bevölkerung bestätigt werden. Klarer lässt sich nicht ausdrücken, dass die Menschen ein anderes, ein soziales Europa wollen. Es ist an der Zeit, dass die EU-Spitze dies zur Kenntnis nimmt, anstatt weiter hörig die Forderungen der Konzerne in Richtung Sozialabbau und Militarisierung umzusetzen.

Berlin/Brüssel, den 30.05.05
Sahra Wagenknecht