Dienstleistungsrichtlinie: SPD als Fähnchen im Wind

Zum vorgelegten EU-Rettungsplan des SPE-Fraktionsvorsitzenden Martin Schulz, in dem die Verabschiedung der Dienstleistungsrichtlinie als ein zentrales Element benannt wird, erklärt Sahra Wagenknecht, PDS-Europaabgeordnete und Berichterstatterin des Wirtschafts- und Währungsausschusses für die Dienstleistungsrichtlinie:

Es ist geradezu Schwindel erregend, in welcher Schnelligkeit die SPD ihre Position zur Dienstleistungsrichtlinie wechselt: Erst von Gerhard Schröder und Wolfgang Clement bejubelt, dann im Vorfeld des französischen Verfassungsreferendums scharf kritisiert, und nun ein erneutes Umschwenken auf die Seite der Befürworter – die Halbwertzeit der SPD-Position zur geplanten EU-Dienstleistungsrichtlinie ist kaum mehr zu verkürzen.

Verlautete noch vor einigen Tagen aus der SPD, dass die Richtlinie so auf gar keinen Fall bleiben dürfe, betont der 5-Punkte-Plan nun, dass die Bolkestein-Richtlinie neben der ebenso umstrittenen Arbeitszeitrichtlinie „wie keine andere geeignet“ sei „zu zeigen, dass Markterfordernisse und soziale Stabilität zusammengehören“. Von Kritik an der geplanten Richtlinie, von Änderung oder gar Zurückziehen ist plötzlich keine Rede mehr. Frei nach dem Motto ‚Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern‘.

Nach dem Scheitern der Verfassungsreferenden in Frankreich und den Niederlanden ist die SPD offenbar der Auffassung, dass man nun auch ungeniert wieder den neoliberalen Masterplan unter Einbeziehung der Dienstleistungsrichtlinie vertreten kann – um so mehr unter der bevorstehenden Ratspräsidentschaft der Briten. Deutlicher ließe sich nicht demonstrieren, dass die von Bundeskanzler Schröder postulierte Ablehnung der Richtlinie allein instrumentellen Charakter hatte. Angesichts dieses erneuten Positionswechsels zahlt es sich nun aus, dass man sich auf Seiten des Europäischen Rats tunlichst davor gehütet hat, außer markigen Statements eine reale Änderung der Richtlinie zu veranlassen.

Dass die EU in der Krise ist, weil die Menschen den neoliberalen Kurs nicht wollen und dass der Ausgang der Verfassungsreferenden in Frankreich und den Niederlanden auch von der Ablehnung der Dienstleistungsrichtlinie in der Bevölkerung beeinflusst war, kümmert die Sozialdemokraten dabei offenbar ebenso wenig wie die Scheinheiligkeit, mit der Tony Blair kritisiert, aber die gleiche Politik vorangetrieben wird. Der eigenen Glaubwürdigkeit dient die neue Befürwortung der Dienstleistungsrichtlinie jedenfalls nicht – und erst recht nicht der Bewältigung der EU-Krise.

Sahra Wagenknecht, MdEP
Brüssel/Berlin, den 23. Juni 2005