Bolkestein-Richtlinie: Zeitlichen Aufschub für Gegenmobilisierung nutzen
Zur Verschiebung der Abstimmungen im Europäischen Parlament über die Dienstleistungsrichtlinie erklärt Sahra Wagenknecht, Europaabgeordnete der Linkspartei.PDS und ehemalige Berichterstatterin des Wirtschaftsausschusses zur Richtlinie:
Nach dem neuen Zeitplan wird der Binnenmarktausschuss erst Ende November und das Europäische Parlament erst im Januar über die Dienstleistungsrichtlinie abstimmen. Diese Wochen gilt es zu nutzen, um den Druck auf die Parlamentarierinnen und Parlamentarier zu verstärken, damit die Dienstleistungsrichtlinie gestoppt wird.
Das Vorgehen von Konservativen, Liberalen und der Rechtsaußenfraktion UEN im Binnenmarktausschuss zeigt, wie nötig solcher Druck ist. In ihren nach wochenlangen Verhandlungen nun quasi als Tischvorlage vorgelegten Scheinkompromissvorschlägen machen Konservative und Liberale deutlich, dass es ihnen um den Erhalt des Herkunftslandprinzips und damit darum geht, genau den Bereich zu sichern, der die Blaupause für Sozialdumping und die Aushöhlung von Lohn- und Arbeitsstandards ist und deshalb zu Recht im Fokus der Auseinandersetzung steht. Die Kritik, die auch von konservativer Seite, so von CDU und CSU, bislang zu hören war, wird damit als rein taktisches Spiel entlarvt, frei nach dem Motto „in Deutschland Kritik, in Brüssel klar Schiff“. Dass dies so ist, zeigte nicht zuletzt das Abstimmungsergebnis im Wirtschaftsausschuss vor drei Wochen, in dem der von mir vorgelegte Entwurf einer Stellungnahme mit der Mehrheit von Konservativen und Liberalen in ein neoliberales Machwerk verwandelt wurde, das teilweise noch über die Liberalisierungsvorschläge der EU-Kommission hinausgeht.
Dass die Konservativen die zeitliche Verschiebung im Binnenmarktausschuss nun als Erfolg für sich verbuchen, da die Sozialdemokraten eine schnelle Abstimmung erreichen wollten, sollte die Kritikerinnen und Kritiker der Richtlinie nicht bekümmern. Entschieden ist noch nichts. Für die Gegnerinnen und Gegner des neoliberalen Großprojekts kann der neue Zeitplan des Europäischen Parlaments deshalb nur eins heißen: Die gewonnene Zeit muss genutzt werden, um die Gegenkräfte zu mobilisieren. Die Dienstleistungsrichtlinie kann verhindert werden. Hierzu ist jedoch außerparlamentarischer Druck nötig. Diesen gilt es aufzubauen – jetzt und in den nächsten Wochen!
Sahra Wagenknecht
Brüssel, den 05.10.05