Neoliberale Offensive muss entschieden bekämpft werden

Zur neoliberalen Offensive auf die Ablehnung des Verfassungsvertrags in Frankreich und den Niederlanden erklärt die PDS-Europaabgeordnete Dr. Sylvia-Yvonne Kaufmann, Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments:

Während Verfassungsgegner ihren Sieg feiern und Verfassungsbefürworter ihre Wunden lecken, schreiten die Neoliberalen erwartungsgemäß zur Tat, denn sie betrachten das Nein zur EU-Verfassung als Glücksfall. Man könne „von Glück sagen, dass wir nun die Gelegenheit erhalten, die Verfassung noch einmal zu diskutieren und dann auch zu verändern“, sagte ihr Vordenker Hans-Werner Sinn, Chef des einflussreichen Münchner Ifo-Instituts und Berater der CDU/CSU-Kanzlerkandidatin, der großbürgerlichen Zeitung „Die Welt“ vom 4. Juni. Die Verfassung spezifiziere neben einer Wirtschafts- und Währungsunion auch eine „Sozialunion für Europa“ – und die „können wir überhaupt nicht gebrauchen“, erklärte er. Folgerichtig zielt sein Hauptangriff auf die in Artikel II-94 der Verfassung enthaltenen Rechte auf soziale Sicherheit und soziale Unterstützung, die laut Sinn „viel zu weit (gehen)“.

Die Vorreiter neoliberaler Politik haben bereits einen umfangreichen Katalog von Forderungen angemeldet, um im Zuge der begonnenen Debatte über das weitere Vorgehen zur Verfassung vor allem ihre soziale Ausrichtung zu entsorgen und den Gesetzen des freien Markts ungebremst zum Durchbruch zu verhelfen. Bereits seit Vorlage des Verfassungsentwurfs hatten sie beklagt, dass der Wirtschaftsordnung in der EU mit der Verfassung „eine Dominanz sozialpolitischer Ziele“ drohe, weil sie zu viele „soziale Anspruchsrechte des Bürgers gegenüber Staat und Arbeitgebern“ enthalte. Der Verfassung müssten jetzt alle „Giftzähne“ gezogen werden, fordert deshalb Wirtschaftsprofessor Roland Vaubel, Mitglied der European Constitutional Group, die als Alternative zur vorliegenden EU-Verfassung einen neoliberalen Gegenentwurf erarbeitet hatte. Zu den „Giftzähnen“ zählt er unter anderem die Grundrechtecharta, weil sie „Ansprüche auf ‚gerechte und angemessene Arbeitsbedingungen’ (begründe)“, und die in der Verfassung fixierte Kompetenz, das Statut der Europäischen Zentralbank durch Mehrheitsentscheidung zu verändern. Angela Merkel und FDP-Politiker fordern, den Stabilitätspakt in Verfassungsrang zu erheben, um seine sozialverträgliche Reformierung zu stoppen und der Geldwertstabilitätspolitik noch mehr Gewicht zu verleihen. Ferner sollen Teile der milliardenschweren EU-Regionalförderung im Zuge einer Renationalisierung der Europapolitik in nationale Verantwortung zurückverlagert werden. Damit droht die Ablehnung der Verfassung in der Tat zum Pyrrhussieg für die Linken zu werden.

Um einen neoliberalen Durchmarsch zu verhindern, sollten sich hierzulande – auch mit Blick auf die bevorstehen Bundestagswahlen – Gegner und Befürworter der Verfassung umgehend in einen Dialog begeben. Die in der Verfassung enthaltenen sozialpolitischen Fortschritte müssen gegen die aufbrechende neoliberale Offensive verteidigt werden.

Straßburg, den 7. Juni 2005

Zur neoliberalen Offensive auf die Ablehnung des Verfassungsvertrags in Frankreich und den Niederlanden erklärt die PDS-Europaabgeordnete Dr. Sylvia-Yvonne Kaufmann, Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments:

Während Verfassungsgegner ihren Sieg feiern und Verfassungsbefürworter ihre Wunden lecken, schreiten die Neoliberalen erwartungsgemäß zur Tat, denn sie betrachten das Nein zur EU-Verfassung als Glücksfall. Man könne „von Glück sagen, dass wir nun die Gelegenheit erhalten, die Verfassung noch einmal zu diskutieren und dann auch zu verändern“, sagte ihr Vordenker Hans-Werner Sinn, Chef des einflussreichen Münchner Ifo-Instituts und Berater der CDU/CSU-Kanzlerkandidatin, der großbürgerlichen Zeitung „Die Welt“ vom 4. Juni. Die Verfassung spezifiziere neben einer Wirtschafts- und Währungsunion auch eine „Sozialunion für Europa“ – und die „können wir überhaupt nicht gebrauchen“, erklärte er. Folgerichtig zielt sein Hauptangriff auf die in Artikel II-94 der Verfassung enthaltenen Rechte auf soziale Sicherheit und soziale Unterstützung, die laut Sinn „viel zu weit (gehen)“.

Die Vorreiter neoliberaler Politik haben bereits einen umfangreichen Katalog von Forderungen angemeldet, um im Zuge der begonnenen Debatte über das weitere Vorgehen zur Verfassung vor allem ihre soziale Ausrichtung zu entsorgen und den Gesetzen des freien Markts ungebremst zum Durchbruch zu verhelfen. Bereits seit Vorlage des Verfassungsentwurfs hatten sie beklagt, dass der Wirtschaftsordnung in der EU mit der Verfassung „eine Dominanz sozialpolitischer Ziele“ drohe, weil sie zu viele „soziale Anspruchsrechte des Bürgers gegenüber Staat und Arbeitgebern“ enthalte. Der Verfassung müssten jetzt alle „Giftzähne“ gezogen werden, fordert deshalb Wirtschaftsprofessor Roland Vaubel, Mitglied der European Constitutional Group, die als Alternative zur vorliegenden EU-Verfassung einen neoliberalen Gegenentwurf erarbeitet hatte. Zu den „Giftzähnen“ zählt er unter anderem die Grundrechtecharta, weil sie „Ansprüche auf ‚gerechte und angemessene Arbeitsbedingungen’ (begründe)“, und die in der Verfassung fixierte Kompetenz, das Statut der Europäischen Zentralbank durch Mehrheitsentscheidung zu verändern. Angela Merkel und FDP-Politiker fordern, den Stabilitätspakt in Verfassungsrang zu erheben, um seine sozialverträgliche Reformierung zu stoppen und der Geldwertstabilitätspolitik noch mehr Gewicht zu verleihen. Ferner sollen Teile der milliardenschweren EU-Regionalförderung im Zuge einer Renationalisierung der Europapolitik in nationale Verantwortung zurückverlagert werden. Damit droht die Ablehnung der Verfassung in der Tat zum Pyrrhussieg für die Linken zu werden.

Um einen neoliberalen Durchmarsch zu verhindern, sollten sich hierzulande – auch mit Blick auf die bevorstehen Bundestagswahlen – Gegner und Befürworter der Verfassung umgehend in einen Dialog begeben. Die in der Verfassung enthaltenen sozialpolitischen Fortschritte müssen gegen die aufbrechende neoliberale Offensive verteidigt werden.

Straßburg, den 7. Juni 2005