Ein Ziel: Demokratie und Menschenrechte in der Türkei
Zu dem von der EU-Kommission aufgezeichneten Rahmen für die bevorstehenden Verhandlungen über einen Beitritt der Türkei zur Europäischen Union erklärt der Europaabgeordnete Helmut Markov:
Abermals hat es die Kommission versäumt, auf den im Nein zur Verfassung formulierten Protest der Bürgerinnen und Bürger zu antworten. Ihre gegenwärtige Verfasstheit sowie insbesondere das strategisch wie handwerklich unzureichende Krisenmanagement, das Kommission und Rat seit den Verfassungsreferenden in Frankreich und den Niederlanden an den Tag legen, lassen für die Aufnahme der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei weitere Risse im Fundament der Europäischen Union befürchten. Verständnis und Vertrauen bei den Menschen in der Union wird so nicht zurück gewonnen werden können.
Wenn Erweiterungskommissar Rehn neben dem Interesse Europas an einer stabilen und wohlhabenden, auch das Interesse an einer demokratischen Türkei betont, darf eines nicht vergessen werden: Die Kommission verschweigt bereits jetzt, dass sich seit dem Gipfel vom Dezember die Menschenrechtssituation allgemein sowie die Situation der Kurden insbesondere verschlechtert hat und sich Anzeichen vermehren, dass Ankara polizeiliche und militärische Gewalt zur Lösung von Konflikten bevorzugt.
Der Beginn der Beitrittsverhandlungen fällt in die britische Ratspräsidentschaft. Bei seiner Brüsseler Grundsatzrede in der vergangenen Woche hat Tony Blair keinen Hehl daraus gemacht, dass ihm die bisherige Umsetzung der Lissabon Strategie zu zaghaft erscheint. Seinen neoliberalen Fahrplan wird zumindest Blair auch während der Gespräche mit Ankara nicht aus den Augen verlieren, wohl aber – ist zu befürchten – die Frage der Demokratie und Menschenrechte, wenn ihr Fehlen nicht den Markt schädigt.
Kommt es zudem im Herbst zu einem Regierungswechsel in Berlin, wird eine Kanzlerin Merkel dann ihr Modell einer „privilegierten Partnerschaft“ nicht nur im bundesdeutschen Wahlkampf missbraucht haben, sondern auch als strategisches Ziel Deutschlands auf europäischer Ebene verfolgen.
Vor beiden Seiten liegt ein langer Weg, dessen Ziel nur die Mitgliedschaft einer wirklich demokratischen Türkei, die die europäischen Werte anerkennt, sein kann. Das wird nicht morgen oder übermorgen sein. Ein Jahrzehnt umfassender Reformen liegt vor einem möglichen Beitritt. Ankara muss diesen Weg ernsthaft und konsequent einschlagen, und Brüssel muss ihn verantwortungsbewusst und kritisch begleiten.