Deutliche Kritik an Dienstleistungsrichtlinie bei Sachverständigen- Anhörung im Europäischen Parlament
Zur Anhörung des Wirtschafts- und Währungsausschusses zum Thema öffentlicher Dienstleistungen am gestrigen Abend im Europäischen Parlament erklärt Sahra Wagenknecht, PDS-Europaabgeordnete und Berichterstatterin des Ausschusses für die Dienstleistungsrichtlinie:
Die Anhörung hat gezeigt, wie klar der von der EU-Kommission vorgelegte Entwurf für eine Dienstleistungsrichtlinie abgelehnt wird: Sämtliche vom Ausschuss geladene Experten äußerten aus ihrer spezifischen Sichtweise deutliche Kritik am Richtlinienentwurf.
Frank Bsirske, Vorsitzender der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, forderte die Ausklammerung öffentlicher Dienstleistungen aus dem Geltungsbereich der Richtlinie. Angesichts fehlender EU-Rechtsgrundlagen in Bezug auf die öffentliche Daseinsvorsorge drohe die Dienstleistungsrichtlinie indirekt Fakten zu schaffen. Eine Richtlinie sei erst im Anschluss an erfolgte Harmonisierungsmaßnahmen sinnvoll. Das Herkunftslandprinzip mache effektive Kontrollen unmöglich, laufe auf Inländerdiskriminierung hinaus und sei generell weder akzeptabel noch praktikabel.
Luc Hendrickx vom Verband des Handwerks und der kleinen und mittleren Unternehmen (UEAPME), teilte die Kritik am Herkunftslandprinzip und betonte die Notwendigkeit der Gewährleistung qualitativ hoher öffentlicher Dienstleistungen für KMUs. Eine Dienstleistungsrichtlinie mit horizontaler Ausrichtung könne hier eine Gefährdung darstellen, zumal keine ausreichende Kontrolle gesichert sei.
Rainer Plaßmann, Generalsekretär des Europäischen Zentralverbands der öffentlichen Wirtschaft (CEEP) verwies auf die sich aufgrund fehlender Definition öffentlicher Dienstleistungen ergebenden Schwierigkeiten, überhaupt mögliche Negativ- oder Positivlisten erstellen zu können. Auch gebe es bislang keinerlei Evaluierung der Auswirkungen von EU-Gesetzgebungsakten auf die kommunale Ebene. Durch die geplante Dienstleistungsrichtlinie drohe ein erheblicher Kontrollverlust der Gebietskörperschaften. Es fehle völlig eine Konsequenzenabschätzung im Hinblick auf das vorgesehene Herkunftslandprinzip.
Die Problematik der nicht existierenden klaren Definitionen über öffentliche Dienstleistungen wurde auch von Jeremy Smith, Generalsekretär des Rats der Gemeinden und Regionen Europas herausgestellt. Er betonte, dass die Daseinsvorsorge in der Kompetenz der Regionen verbleiben müsse.
Ulrich Pätzold vom Verband der europäischen Bauwirtschaft (FIEC) wies auf die Konsequenzen auf die praktische Anwendung der Entsenderichtlinie hin. Diese werde durch die Dienstleistungsrichtlinie faktisch null und nichtig.
Die Anhörung zeigte insgesamt, wie unzulänglich der von der EU-Kommission vorgelegte Richtlinienentwurf ist. Die von der Kommission gerne als unzutreffend heruntergespielten Befürchtungen, was die Auswirkungen der Richtlinie auf bestehende Arbeits- und Sozialstandards betrifft, wurden von den Sachverständigen einhellig als durchaus relevante Risiken eingeschätzt. Alle Experten waren sich einig, dass die Richtlinie in der vorgelegten Form nicht umgesetzt werden sollte und dass sie dringend einer grundlegenden Überarbeitung bedarf.
Sahra Wagenknecht, MdEP
Brüssel, den 30. März 2005