Koalition des Neoliberalismus: CDU- und CSU-Europaabgeordnete stimmen mit Liberalen Kritik an Dienstleistungsrichtlinie nieder
Zum Ergebnis der Abstimmung des Wirtschaftsausschusses im Europaparlament über die geplante EU-Dienstleistungsrichtlinie erklärt Sahra Wagenknecht, Europaabgeordnete der Linkspartei.PDS und Berichterstatterin des Ausschusses:
In Brüssel ist die schwarz-gelbe Koalition des Neoliberalismus bereits Realität: Im Wirtschaftsausschuss wurde jede Kritik am Richtlinienentwurf der EU-Kommission mit der Mehrheit aus Konservativen und Liberalen weggestimmt. Damit wurde umgesetzt, was sich bereits vor der Sommerpause abgezeichnet hatte: Konservative und Liberale haben sich auf eine knallharte Linie verständigt, um den Druck auf den federführenden Binnenmarktausschuss zu erhöhen, der Anfang Oktober abstimmt. Jeder Versuch, mit ihnen Kompromisse zu verhandeln, scheiterte.
Auch die deutschen konservativen Abgeordneten stimmten gegen jede Einschränkung der Richtlinie: Kein Sektor der Daseinsvorsorge soll geschützt sein, die Richtlinie soll neben Gas, Elektrizität und Wasser u.a. auch die Gesundheitsvorsorge, die audiovisuellen Dienstleistungen und den Bildungsbereich umfassen. Resultat der Abstimmung im Wirtschaftsausschuss ist eine Stellungnahme, die die Richtlinie nicht nur unkritisch stützt – nein, sogar noch über die Liberalisierungsabsichten der EU-Kommission hinausgeht.
Wer die von CDU und CSU in Deutschland geäußerte Kritik an der Richtlinie ernst genommen hatte, wurde damit eines Besseren belehrt – auf europäischer Ebene lässt sich halt trefflich eine andere Position vertreten, als in der Wahlkampfendphase in der Bundesrepublik. Ist erst einmal gewählt, wird sich niemand mehr um die Richtlinie scheren, so offenbar das Kalkül der Konservativen. Auf der sicheren Seite sind sie allemal: Die befürwortende Position entspricht nicht nur den Liberalen. Abgesehen von Gerhard Schröders taktisch motivierter Kritik an der Richtlinie im Vorfeld des französischen Verfassungsreferendums unterstützt auch er gemeinsam mit Wolfgang Clement den Richtlinienentwurf.
Das Ausschussvotum ist damit ganz auf Linie der Politik, die auch von einer neuen Bundesregierung zu erwarten ist, sei sie schwarz-gelb oder eine große Koalition: Eine Politik der neoliberalen Umgestaltung, die vor dem öffentlichen Sektor nicht Halt macht und auf Privatisierung setzt. Konservative und Liberale haben mit ihrer Mehrheit im Wirtschaftsausschuss das Feld abgesteckt, auf dem sie die Sozialdemokraten weiter vor sich her treiben werden. Auf festen Widerstand der deutschen Sozialdemokraten zu hoffen, ist angesichts der bisherigen windelweichen Position der Bundesregierung unangebracht.
Um der weiteren Aushöhlung des Europäischen Sozialmodells entgegenzutreten und zu verhindern, dass eine zukünftige deutsche Bundesregierung auf europäischer Ebene eine befürwortende Haltung zur Richtlinie einnimmt, muss daher der öffentliche Widerstand gegen diese Politik gestärkt werden. Dafür ist zum einen deutlicher Druck auf die Entscheidungsträger im Europäischen Parlament nötig. Mit der Stimmabgabe für die Linkspartei.PDS am 18. September lässt sich zudem die Kraft stärken, die der großen Koalition der marktliberalen „Modernisierer“ eine eindeutige Absage erteilt und der Kritik an Sozialabbau und Umstrukturierung zugunsten von Konzernen eine deutliche Stimme verleiht.
Brüssel, den 13. September 2005
Sahra Wagenknecht, MdEP