Weiter für neoliberalen und friedensgefährdenden EU-Verfassungsvertrag?
Sowohl CDU/CSU und FDP als auch SPD und Grüne befürworten in ihren Programmen für die Bundestagswahl 2005 den vorgelegten EU-Verfassungsvertrag. Die „Konsequenz“ aus den Referenden in Frankreich und den Niederlanden, bei denen sich 56% bzw. 62% der Bürgerinnen und Bürger gegen den EU-Verfassungsvertrag aussprachen, heißt für sie ignorant einfach nur: Schwamm drüber und weiter so.
Die Grünen „bedauern das Scheitern des Ratifizierungsprozesses in den Referenden“ und wollen „einen neuen Anlauf starten“. Die FDP möchte „einen zweiten Anlauf“. Die SPD betont, dass der Verfassungsvertrag die Grundlage für die „künftige Arbeit“ in der Europäischen Union „ermögliche“. CDU/CSU betonen besonders die „Verbesserungen der Außenpolitik“, die der neue Vertrag mit sich bringe. Nur die Linkspartei.PDS lehnt den EU-Verfassungsvertrag ab und wertet das NON und das NEE in den Referenden positiv. Die Ablehnung des Verfassungsvertrages in Frankreich und in den Niederlanden sowie das Scheitern der Verhandlungen über die EU-Finanzplanung haben gezeigt: Ein ‚Weiter so‘ auf dem Weg des neoliberalen EU-Vertrages von Maastricht nicht gibt. Wer bei den Bundestagswahlen für SPD/Grüne oder CDU/CSU/FDP stimmt, muss sich im Klaren sein, dass er damit auch für den EU-Verfassungsvertrag votiert.
Der auf der Liste der PDS ins EU-Parlament gewählte Europaabgeordnete, Tobias Pflüger, erklärt: „In Deutschland wurde den Bürgerinnen und Bürgern ein Referendum verweigert. In der EU soll offensichtlich so lang abgestimmt werden, bis das Ergebnis den Regierenden passt.“
Pflüger weiter: „Es ist schon auffällig, wie hier mit demokratischen Entscheidungen umgegangen wird. Auf Biegen und Brechen sollen die Menschen dazu gebracht werden die Militarisierung der EU, wie sie z. B. in der Aufrüstungsverpflichtung zum Ausdruck kommt, zuzustimmen. Die Passage im Verfassungsvertrag, in der es heißt ‚Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union verpflichten sich ihre militärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern‘ (I-41,3), lässt sich einfach nicht schönreden.“
Auch dass Neoliberalismus mit einer Verpflichtung der EU-Wirtschaftspolitik auf eine „offene Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb‘ (III-177) praktisch Verfassungsrang erhalten soll, ist nicht akzeptabel.“
Abschließend sagte der Europaabgeordnete: „Zudem soll den Leuten in den Wahlprogrammen in Bezug auf die Grundrechtecharta Sand in die Augen gestreut werden. Insbesondere da die Grundrechte der Charta beispielsweise nicht gegen die Kapitalfreiheit vor Gericht ausgelegt werden dürfen und weil ihre Wirksamkeit bei den wenigen sozialen Rechten praktisch ins Leere geht. Selbst einer der ‚Väter‘ der Grundrechtecharta, der international renommierte französische Verfassungsexperte Guy Braibant, sprach sich inzwischen gegen den EU-Verfassungsvertrag aus, da mit der Aufnahme von Erläuterungen zu nahezu jedem einzelnen Grundrecht, die Grundrechte in der Charta an die restriktive Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs gebunden und somit faktisch entwertet würden. Eine demokratische, soziale und zivile Europäische Union ist auf Grundlage des EU-Verfassungsvertrages jedenfalls nicht erreichbar. Bei den Bundestagswahlen am 18. September wird es also auch darum gehen, den JA-Sagern zum EU-Verfassungsvertrag eine Absage zu erteilen.“
Tübingen/Brüssel, den 15. September 2005