Die erste Abgeordnete mit kurdischer Herkunft

Im Europaparlament war es für mich wichtig, in meiner Arbeit Schwerpunkte zu setzen, die meine politische Entwicklung stark geprägt haben: die Frage der Menschenrechte, der Kampf gegen den Rassismus und insbesondere die Kurdenproblematik. Als Mitglied im gemeinsamen Ausschuss EU-Türkei und als Vizepräsidentin der fraktionsübergreifenden Intergruppe Antirassismus hatte ich dazu gute Möglichkeiten.
Die erste Abgeordnete mit kurdischer Herkunft im Europäischen Parlament zu sein, habe ich als eine besondere Verpflichtung betrachtet, Ansprechpartnerin für Flüchtlinge und MigrantInnen in Europa zu sein als auch mich intensiv mit der Türkei und ihrem möglichen EU-Beitritt zu befassen. Dabei stand die Situation der kurdischen Bevölkerung im Mittelpunkt meiner Arbeit, da sich die Schwierigkeiten der Türkei sich positiv zu verändern, hier besonders deutlich zeigen. Trotz formaler Reformen gibt es in vielen Bereichen leider immer noch keine echte Annäherung an EU-Standards, so dass es wichtig ist, weiterhin Druck auf die türkische Regierung auszuüben. Ich habe deshalb diverse fraktionsübergreifende Parlamentarierappelle initiiert, um gegen eklatante Menschenrechtsverstöße wie das Verbot der kurdischen HADEP oder gegen Repressionen gegen den Menschenrechtsverein zu protestieren. Intensiv habe ich das Schicksal von Leyla Zana verfolgt, der ersten kurdischstämmigen Abgeordneten im türkischen Parlament, die seit 1994 menschenrechtswidrig inhaftiert ist und deren Prozess im letzten Jahr neu aufgerollt wurde – der allerdings skandalöserweise mit einer Bestätigung des ersten Urteils endete. Zusammen mit meinem italienischen Fraktionskollegen Luigi Vinci habe ich an fast allen Verhandlungstagen teilgenommen, um so ein Zeichen der Solidarität zu setzen und zu zeigen, dass dieser Prozess international mit großer Aufmerksamkeit verfolgt wird.
Schluss mit der Gewalt gegen Frauen und Mädchen
Ein weiterer Schwerpunkt meines Engagements galt dem Einsatz gegen Gewalt an Frauen und Mädchen. So habe ich mit Änderungsanträgen zum Türkei-Bericht dafür gesorgt, dass das Europaparlament auch konkrete Veränderungen im Umgang mit weiblichen Häftlingen auf den türkischen Polizeiwachen eingefordert hat. Desweiteren habe ich mich mit Opfern sexueller Gewalt getroffen und im Parlament auf ihre Situation hingewiesen.
Protest gegen Bomben im Irak
Zentral war für mich ebenfalls die Auseinandersetzung mit der Situation im Irak. Zusammen mit anderen Abgeordneten habe ich eine Resolution eingebracht, um gegen Bombenangriffe in der damaligen UN-Sicherheitszone im Nordirak zu protestieren, bei denen Dutzende von Menschen getötet und verletzt wurden. Angesichts der sich zuspitzenden Lage im Irak hat sich meine Fraktion der Vereinten Linken vehement gegen den Krieg engagiert. Bei einer Delegationsreise habe ich einen Besuch mit weiteren Abgeordneten in den Flüchtlingslagern im Nordirak initiiert. Da mir das Schicksal einzelner Menschen am Herzen liegt und mir kontinuierliches Engagement wichtig ist, bin ich nach dem Krieg erneut in den Irak gefahren und habe mich vor Ort über die Situation informiert.
Auch mit anderen Themenbereichen war ich intensiv befasst: Als ordentliches Mitglied im Frauenausschuss sowie im Ausschuss für Kultur, Jugend, Bildung, Medien und Sport sowie als Stellvertreterin im Entwicklungsausschuss konnte ich linke Positionen in die Bereiche einbringen, die oft als „weiche“ Themen betrachtet werden, in denen aber durchaus knallharte Politik gemacht wird. So spielt Bildung beispielsweise eine wichtige Rolle im Rahmen der neoliberalen Umstrukturierungsstrategie der EU, zu deren Zielen es gehört, durch Privatisierung die Wettbewerbsfähigkeit der EU im globalen Maßstab zu verbessern.
Über Hintergründe aufzuklären
und das Bewusstsein für die Rolle der EU in verschiedenen Bereichen zu schärfen, ist mir ein zentrales Anliegen, da nur vor dem Hintergrund umfassender Informationen die Entwicklung von Gegenstrategien möglich ist. Ich habe an vielen Veranstaltungen teilgenommen, Sprechstunden für Bürgerinnen und Bürger abgehalten, Studien zu unterschiedlichen Themen von Rassismus über AIDS bis zur Hochschulpolitik anfertigen lassen und zwei Konferenzen organisiert, die sich mit dem Themenkomplex Menschenrechte bzw. der Privatisierung im Bildungsbereich befasst haben.
Auch die Gleichstellungspolitik ist ein Thema, das mir wichtig ist. Wie viel in diesem Bereich auch in Europa noch im Argen liegt, zeigt die Tatsache, dass bislang nicht einmal ein Drittel der Abgeordneten im Europäischen Parlament Frauen sind – und auch diese geringe Zahl nach der Wahl im Juni weiter zu sinken droht. Selbst bei der Linksfraktion sind Männer deutlich in der Mehrzahl. Bleibt zu hoffen, dass die PDS mit ihrer konsequenten Frauenquote in der kommenden Legislaturperiode den Frauenanteil erneut stärken kann. Denn Frauen brauchen auch in Zukunft eine kräftige Stimme im Europäischen Parlament!