Einsatz für Bauern und Landbewohner

Christel Fiebiger

Mein Anspruch als Abgeordnete war, etwas für die Menschen durch ein an den Realitäten orientiertes Handeln zu erreichen. Meine „Vor-Ort-Kontakte“ waren dafür Voraussetzung. So habe ich mich in der Ausschussarbeit mit wechselndem Erfolg um Kompromisse und Bündnisse in vielerlei Sachfragen bemüht.
Mein Hauptpolitikfeld war Landwirtschaft und ländliche Entwicklung. Das Wahlversprechen im PDS-Europawahlprogramm von 1999, für eine Neuorientierung der Agrarpolitik einzutreten, war mir inhaltliche Richtschnur und Auftrag. Vor jeder parlamentarischen Entscheidung habe ich mir die Frage gestellt, ob damit die Entwicklung einer nachhaltigen Landwirtschaft unterstützt oder verhindert wird. Es war nicht einfach, in dem Dschungel der bestehenden, zu ändernden und neuen Richtlinien und Verordnungen die Komplexität der Anforderungen im Blick zu haben: Die Gewährleistung von Wertschöpfung und Beschäftigung in den Dörfern, die Nutzung und Bewahrung der Natur als Nahrungs-, Rohstoff- und Energiequelle, die Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen Wasser, Boden, Luft und Artenvielfalt, die Pflege der in Jahrhunderten durch bäuerliche Arbeit entstandenen vielfältigen Kulturlandschaften, die Erhaltung der ländlichen Sozial- und Kulturräume.
An Reform der EU-Agrarpolitik mitgewirkt
In Auswertung der BSE-Krise galt mein Engagement der Lebens- und Futtermittelsicherheit. Intensiv habe ich mich in den Prozess der Reform der EU-Agrarpolitik eingebracht. Ein Ergebnis dieser Arbeit ist, dass meine Anfragen und Anträge wesentlich dazu beitrugen, dass die EU-Kommission die geplante Benachteiligung von Agrargenossenschaften bei Agrarprämien aufgeben musste und für die deutschen Bauern ab 2004/05 ein Teilausgleich für den Wegfall der Roggenintervention eingeführt wird. Beides dient der Wertschöpfung und Beschäftigung in den Dörfern
Drum lege den Finger auf jeden Posten
Mein besonderes Augenmerk galt den jährlichen Haushaltsdiskussionen, nicht nur der Planung, sondern auch dem Abfluss der Mittel, zumal dieser immer wieder – namentlich bei den Strukturfonds – ins Stocken geriet. Hier den Daumen auf die Wunde zu legen, war wichtig, denn jede Verzögerung hieß verspätete Investitionen, ausbleibende Wertschöpfung, fehlende Arbeit. Bei der Mittelplanung habe ich mich für vielerlei engagiert – vom Aufstocken der Ausgaben für die ländliche Entwicklung über das Herunterfahren der Exportsubventionen, die den Entwicklungsländern nur schaden, bis zur Unterstützung der vom „Jahrtausendhochwasser“ 2002 Betroffenen.
Gemeinsam mit anderen widersetzte ich mich den zahlreichen Versuchen, die Agrarmittel für andere Zwecke zu beschneiden. Oftmals wird „vergessen“, dass die Agrarausgaben nur deshalb der größte Brocken im EU-Haushalt sind, weil die Agrarpolitik so umfassend wie keine zweite Politik vergemeinschaftet ist. Und dabei geht es den Bauern keineswegs blendend.
Der Kampf um die Agrarmittel hat eine neue Dimension erreicht. In den letzten Wochen erschien in großen deutschen Tageszeitungen eine Farbanzeige der „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“, die einen 500-Euro-Scheine haltenden Spanferkelkopf auf einem Obstteller unter der Überschrift „Agrarsubventionen kosten uns ein Schweinegeld“ zeigt und in der ein Stopp der gesamten Agrarförderung der EU, des Bundes und der Ländern gefordert wird. Dahinter stehen bundesweit bekannte Persönlichkeiten aus Politik und Wirtschaft. Wer damit wirbt, die auf dem Weltmarkt billigen Agrarrohstoffe und Nahrungsmittel zu importieren, gefährdet nicht nur die Existenz von 9,5 Mio. Bauern. Man kann doch nicht Hunger und Verhungerte in der „Dritten Welt“ beklagen und wegen des raschen Wachstums der Weltbevölkerung und der schwindenden Weltagrarfläche und -wasserressourcen Horrorszenarien der künftigen Welternährung malen, und anderseits dafür plädieren, dass die EU ihre eigenen Ressourcen für die Produktion von Agrarrohstoffen und Nahrungsmitteln nicht ausschöpft.
Vor allem Beitrittsländer im Blick
Viel Zeit und Kraft habe ich in den Komplex EU-Erweiterung investiert, zum einen wegen unserer gemeinsamen sozialistischen Geschichte mit den Ländern östlich von Oder und Neiße, zum anderen weil die Integration der Landwirtschaft zu den schwierigsten Problemen gehört. Das Gewicht des Agrarsektors ist in der jetzt 25 Staaten umfassenden EU weitaus größer als in der vor dem 1. Mai 2004. Deshalb war ich in den meisten Beitrittsländern, habe dort Gespräche geführt, Vorträge gehalten, Fragen beantwortet und versucht, ein Stück „EU-Lebenshilfe“ angesichts vorgefundener Blauäugigkeit zu leisten, z. B. indem ich klar stellte, dass ohne funktionsfähige Zahlstellen keine EU-Gelder fließen. Im Parlament selbst habe ich gegen die offiziell bestrittene aber tatsächlich installierte „Zwei-Klassen-EU“ Front gemacht. Trotzdem war nicht zu verhindern, dass die Bauern in Polen oder Tschechien viel weniger Beihilfen erhalten werden als die in der „alten“ EU. Erst 2013 sollen sie gleichbehandelt werden. Die Polen, Tschechen etc. werden sich das gewiss nicht lange bieten lassen. Damit kommt die ganze Agrarfinanzierung erneut auf den Prüfstand.