Verstärkte Kontrolle von LKW-Fahrern
Das Europäische Parlament hat am 20. April 2004 den Markov-Bericht zum Richtlinienvorschlag über „Sozialvorschriften für Tätigkeiten im Kraftverkehr“ abgestimmt. Dieser Bericht ist die inhaltliche Fortführung meines Berichtes zu Ruhe- und Lenkzeiten von Berufskraftfahrern, den das Parlament im Januar 2003 verabschiedet hatte.
Zur Erinnerung: Die Europäische Kommission hatte Ende 2001 einen Vorschlag für eine Verordnung zur Harmonisierung von Lenk- und Ruhezeiten von Berufskraftfahrern vorgelegt. Ziel war es, EU-weit einheitliche Regelungen für höchstzulässige Lenkzeiten und Mindestruhezeiten im Güter- und Personenkraftverkehr einzuführen. Ich war als Berichterstatter beauftragt worden, den Kommissionsvorschlag zu bewerten und Änderungsvorschläge des Parlaments zu formulieren. Nach der Abstimmung sah der Parlamentsvorschlag folgendermaßen aus: Die höchstzulässige Wochenarbeitszeit soll 56 Stunden betragen und innerhalb von zwei Wochen 90 Stunden nicht überschreiten (ich hatte zwar für maximal 45 Stunden Lenkzeit pro Woche plädiert, mich damit aber nicht durchsetzen können.) Diese Regelung gilt nicht nur für Fernfahrer, sondern für fast alle Berufskraftfahrer, also beispielsweise auch für Kurier- und Expressdienste oder Armeefahrzeuge. Wichtig ist auch, dass nunmehr nicht nur angestellte, sondern auch selbstständige Fahrer unter die Verordnung fallen. Damit soll dem Trend in Fuhrunternehmen, die Fahrer zu selbstständigen Einzelunternehmern deklarieren, entgegengewirkt werden. Neu ist außerdem, dass die Arbeitszeitregeln für alle Fahrzeuge, die sich auf EU-Territorium befinden, gelten – also sowohl für Unternehmen, die ihren Sitz in der EU haben, als auch für Unternehmen aus Drittländern. Sozialdumping wird somit erschwert.
Mit der Verabschiedung einer solchen Verordnung sollten im wesentlichen drei wichtige Zielstellungen erreicht werden. Durch verkürzte Arbeitszeiten kann die Zahl der Unfälle, die durch übermüdete Fahrer verursacht werden, gesenkt und damit die Verkehrssicherheit erhöht werden. Der soziale Schutz der Fahrer wird durch kürzere Arbeitszeiten und längere Ruhezeiten erhöht. Und schließlich sind durch die Gleichbehandlungsklauseln zwischen Angestellten und Selbstständigen, zwischen Unternehmen aus EU- und Nicht-EU-Staaten fairere Wettbewerbsbedingungen im Kraftverkehr garantiert.
Nur: Das Dossier liegt seit seiner Verabschiedung durch das Parlament beim Europäischen Rat fest, und eine Bewegung ist nicht in Sicht. Offensichtlich ist der Text einigen Regierungen zu unternehmerfeindlich geraten und wird von ihnen blockiert. Und solange die Verordnung nicht verabschiedet wird, gilt das alte Recht.
Um die Arbeitsbedingungen für Berufskraftfahrer sozialverträglicher und Europas Straßen sicherer zu machen, ist jedoch mehr als eine Einigung im Rat notwendig. Das beste Gesetz ist nichts wert, wenn es keine Kontrollen über seine Einhaltung gibt. Erfahrungsgemäß nehmen die EU-Mitgliedstaaten es mit der Kontrolle über die Einhaltung der vorgeschriebenen Arbeitszeiten unterschiedlich ernst. Deutschland kontrolliert etwa 4 Prozent der Fahrten und ist damit europäischer Musterknabe. Portugal hingegen beschränkt die Kontrollen auf weit unter 1 Prozent, was viel zu wenig ist, um Verstößen gegen die geltenden Regeln wirksam vorzubeugen.
Mit der Entschließung vom 20. April hat das Parlament nun einheitliche Regeln für Kontrollmaßnahmen in ganz Europa vorgeschlagen. Künftig sollen mindestens drei Prozent der Fahrten stichprobenartig kontrolliert werden, und zwar nicht nur auf der Straße, sondern insbesondere im Betrieb, denn bestimmte Daten wie Urlaubszeiten oder Krankheitsfälle können nur auf dem Betriebsgelände wirkungsvoll kontrolliert werden. Ein besonderer Schwerpunkt der Kontrollen soll bei Kleinstunternehmen liegen, in denen die Ausbeutung von Arbeitnehmern in der Regel besonders hoch ist. Um einer Diskriminierung insbesondere osteuropäischer Unternehmen vorzubeugen, hat das Parlament in einem speziellen Antidiskriminierungsparagraphen festgelegt, dass Fahrer aus Drittstaaten nicht unverhältnismäßig häufig kontrolliert werden dürfen. Das Parlament hat sich nochmals für die schnellstmögliche Einführung des digitalen Tachographen ausgesprochen, weil damit Kontrollen erheblich vereinfacht und Fälschungen erschwert werden können.
Ein Novum in der EU-Gesetzgebung ist, dass der Vorschlag des EP erstmals eine EU-weite Harmonisierung von Strafmaßnahmen bei Verstößen gegen die Arbeitszeitregelungen vorsieht. Das Maß der Sanktionen festzulegen, obliegt bislang den Mitgliedstaaten. Nun hat das Parlament die Kommission beauftragt, binnen drei Jahren einen Vorschlag zu erarbeiten, wie das Strafmaß vereinheitlicht werden kann. Um dies möglich zu machen, werden die Mitgliedstaaten verpflichtet, der Kommission häufiger als bisher Bericht über die durchgeführten Kontrollen zu erstatten.
Das Parlament erhöht damit den Druck auf den Rat: Während dieser noch nicht einmal seine Hausaufgaben zu den Lenk- und Ruhezeiten gemacht hat, legt das EP schon seine Vorschläge über die notwendigen Folgemaßnahmen vor. Ich hoffe, dass dies die nächste Ratspräsidentschaft bewegen kann, die Sozialvorschriften im Straßenverkehr möglichst bald auf die Tagesordnung zu setzen.