Drei Antworten auf drei häufig gestellte Fragen
Was verändert sich mit der Erweiterung der Europäischen Union am 1. Mai 2004?
Was passiert eigentlich auf dem Arbeitsmarkt?
Die alten EU-Mitgliedstaaten haben sich auf eine Übergangsfrist bei der Arbeitnehmerfreizügigkeit („2+3+2-Modell“) für die Staatsangehörigen der mittelosteuropäischen Beitrittsländer verständigt. Für die Bürgerinnen und Bürger Zyperns und Maltas gilt diese Übergangsfrist nicht. Ob die alten EU-Mitgliedsländer von dieser Regelung jedoch Gebrauch machen, obliegt allein ihrer Entscheidung. Inzwischen haben die meisten von ihnen angekündigt, diese Übergangsfrist, die bis zu sieben Jahren gelten kann, auch anzuwenden. Ausdrücklich vorgesehen ist allerdings, dass diese Fristen in bestimmten Abständen daraufhin überprüft werden, ob sie zum Schutz der einheimischen Arbeitsmärkte weiterhin notwendig sind, denn niemand kann heute verlässliche Auskünfte darüber geben, ob überhaupt ein Migrationsdruck aus den Beitrittsländern entstehen wird, und wie viele Bürgerinnen und Bürger tatsächlich kommen werden.
In Deutschland und Österreich wird es zusätzlich zu der Übergangsfrist bei der Arbeitnehmerfreizügigkeit einzelne Beschränkungen bei der Dienstleistungsfreiheit im Baugewerbe und in Teilbereichen des Handwerks geben. Dies bedeutet, dass Staatsangehörige der mittel- und osteuropäischen Länder nach dem Beitritt für ihre Arbeitsaufnahme bei inländischen Arbeitgebern und in einzelnen Bereichen der Dienstleistungserbringung immer noch einer Arbeitserlaubnis in Deutschland bedürfen, die sie im Rahmen der Übergangsfrist nur nach den Regelungen des deutschen Arbeitsgenehmigungsrechts erhalten können. Darüber hinaus gelten die von Deutschland u. a. mit Polen und der Tschechischen Republik getroffenen bilateralen Vereinbarungen. Demgemäß sind z. B. in den Grenzregionen kaum zusätzliche Probleme zu erwarten.
Werden mit dem Beitritt auch die Grenzkontrollen bei der Ein- und Ausreise entfallen?
Auch nach dem 1. Mai wird im Reiseverkehr mit den zehn neuen Länder nach Ausweispapieren gefragt werden. Bis die Grenzkontrollen zwischen alten und neuen Mitgliedsländern wegfallen, werden wahrscheinlich noch Jahre vergehen. Zur Erinnerung: Auch zwischen den alten Mitgliedstaaten wurden sie seit 1985 nur schrittweise abgebaut, so etwa erst nach langen Verhandlungen zwischen Deutschland und Österreich bzw. Dänemark. Und noch heute gilt beim Reiseverkehr zwischen Großbritannien und Irland die Ausweispflicht. Bevor entschieden wird, dass die Grenzkontrollen beseitigt werden, muss jedoch im Voraus eine Bewertung erfolgen, in der die Sicherheit der Außengrenzen des neuen EU-Mitgliedslandes überprüft wird.
Weiterhin möglich sind auch Stichproben bei der Zollkontrolle an den Grenzen zu den neuen EU-Ländern. Allerdings werden die bisher zwischen den alten Mitgliedsländern geltenden relativ großzügigen „Richtgrenzen“, etwa bei Wein, Bier und Spirituosen, nun auch im Verkehr mit den neuen Ländern angewandt. Voraussetzung ist allerdings, dass diese Güter nur dem privaten Verbrauch dienen. Lediglich beim Import von Tabakwaren aus den mittelosteuropäischen Beitrittsländern werden für die nächsten Jahre noch geringe Freimengen gelten.
Experten gehen davon aus, dass es aufgrund der Erweiterung zu keiner Erhöhung der Kriminalität in den alten Mitgliedsländern kommt. Im Gegenteil: Da die neuen Mitgliedstaaten jetzt die EU-weiten Standards, Verfahren und Mechanismen bei der Kriminalitätsbekämpfung einhalten müssen und in diesen Fragen zu einer engen Zusammenarbeit mit den alten Mitgliedsländern verpflichtet sind, wird sogar vermutet, dass sich die aus diesem Raum kommende Kriminalität verringern könnte.
Wird mit dem Beitritt auch der Euro sofort als Zahlungsmittel in den neuen Ländern gelten?
Nein. Die Einführung des Euro ist nämlich laut EG-Vertrag an eine ganze Reihe von Kriterien geknüpft. Die wichtigsten sind: Die Inflationsrate im Jahr vor der Euro-Übernahme darf nicht mehr als 1,5 Prozent über derjenigen der drei preisstabilsten EU-Länder liegen. Weitere Bedingungen sind, dass das jährliche Budgetdefizit der öffentlichen Haushalte nicht drei Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) übersteigen darf und die gesamtstaatliche Schuldenquote nicht mehr als 60 Prozent des BIP beträgt.
Wahrscheinlich werden diese Kriterien am ehesten noch die relativ kleinen Volkswirtschaften der baltischen Länder, Sloweniens und Zyperns erfüllen können. Hier rechnet man mit der Einführung des Euro frühestens für 2006 oder 2007. Ganz anders sieht es dagegen bei den größeren Beitrittsländern aus. In Polen betrug etwa die jährliche Defizitquote 2003 4,1 Prozent, in Ungarn 5,9 Prozent und in der Tschechischen Republik sogar 12,9 Prozent. Die Einführung des Euro wird daher dort wohl noch eine ganze Weile auf sich warten lassen.