Bolkestein lebt
Öffentlich ist es stiller geworden um die Bolkestein-Richtlinie. Kaum noch ein Politiker, der in den Medien eine Lanze bricht für das Herkunftslandprinzip, dem gemäß Dienstleistungskonzerne künftig europaweit nur noch den Regeln ihres Herkunftslandes unterworfen sein sollen: ein Durchbruch zu grenzenlosem Lohn- und Sozialdumping. Selbst der zuständige Binnenmarktkommissar McCreevy hält sich inzwischen zurück, die Richtlinie als Job- und Wachstumsmotor zu feiern. Aber die öffentliche Stille darf uns nicht beruhigen. Derzeit wird die Richtlinie in den Ausschüssen des Europäischen Parlaments beraten. Der bisherige Verlauf läßt Übles ahnen. Im Wirtschaftsausschuss beispielsweise forderte CDU-Mitglied Christoph Konrad aus Bochum wörtlich, man solle „den Kommissionsvorschlag nehmen, wie er ist“, und verabschieden. Ohne das Herkunftslandprinzip sei die ganze Richtlinie tot, ergänzte ein anderer Kollege der EVPFraktion. Obwohl die CDU/CSU sich in Deutschland kritisch gibt, wurde von ihr kein einziger Antrag eingebracht, der auf eine Abkehr vom Herkunftslandprinzip abzielt. Zugleich sollen wesentliche Bereiche der öffentlichen Daseinsvorsorge im Geltungsbereich der Richtlinie verbleiben, was deren Zwangsliberalisierung und -privatisierung bedeutet. Bei gleichzeitiger Abschaffung nahezu aller öffentlichen Regulierungen. Auch die Sozialdemokraten eiern. Während französische Sozialisten unsere Forderung, Bolkesteins Machwerk zurückzuweisen, unterstützen, macht sich ihr Fraktionsvorsitzender Martin Schulz (SPD) dafür stark, „die Dienstleistungsrichtlinie gemeinsam zu verabschieden“. Übrigens hat auch Schröder das vor dem französischen Referendum gemeinsam mit Chirac gehisste Widerstandsfähnchen inzwischen wieder eingerollt. Nach einem jüngsten Meinungsaustausch bei der Europäischen Kommission teilte Verheugen mit, es habe „kein einziges Mitgliedsland gefordert, die Richtlinie zurückzuziehen“. Widerstand ist angesagt, soll es nicht am Ende ein böses Erwachen geben.