Dokumentation der Erklärung des Präsidenten des Europäischen Parlaments, Pat Cox, zu Anschuldigen bezüglich der Tagegelder der Abgeordneten

Pat Cox

Dokumentation

31. März 2004 – Plenum des Europäischen Parlaments in Strassburg

Im Namen dieses Hauses möchte ich, bevor wir zu unserer planmässigen Arbeit zurückkehren, auf eine Reihe von Fragen eingehen, die zum gegenwärtigen Zeitpunkt im Mittelpunkt der Medien in einigen Mitgliedstaaten stehen.

Als Präsident dieses Hauses habe ich eine doppelte Pflicht: Ich habe die Pflicht, vor den Wählern und vor der Öffentlichkeit Rechenschaft zu geben und ich habe ebenfalls die Pflicht, diesem Hause gegenüber fair zu sein. Ich werde versuchen, beide Pflichten, so gut wie mir das möglich ist, zu erfüllen.

In den letzten Wochen und Tagen gab es in den Schlagzeilen, nicht nur der deutschen Regenbogenpresse, vieles zum Thema Tagegelder im Europäischen Parlament zu lesen. In diesem Zusammenhang weigere ich mich, als Präsident dieses Parlaments, zuzulassen, daß wir als Mitglieder dieses Hauses eine kollektive Schuld zu tragen hätten. Man darf nicht behaupten, wir alle seien bereits schuldig, wenn die Unschuld jedes einzelnen noch nicht zweifelsfrei bewiesen ist. Insbesondere im Zusammenhang mit der Berichterstattung der deutschen Regenbogenpresse möchte ich ganz deutlich sagen: gerade die europäischen Medien, und ganz besonders die deutschen, sollten wissen, daß eine kollektive Schuld nicht auf Einzelne oder eine Institution übertragen werden kann.

Ich möchte Ihnen hier im Saale aber auch der Öffentlichkeit folgende Zusicherung geben: Wir werden auf alle fundierten Anschuldigungen reagieren, die uns vorgelegt werden. Fundiert heisst nicht, auf der Basis von Vorverurteilungen. Gestatten Sie mir heute hier zu wiederholen, daß auch in Zukunft die wesentliche Aufgabe bei der Reform dieses Hauses darin besteht, daß wir uns selber ein Statut an die Hand geben. Für den letzten Reformversuch, hatten wir eine Mehrheit hier im Hause dafür. Dieser ist letztlich an den Regierungen gescheitert, und nicht weil es uns an Willen gemangelt hätte, diese Verantwortung zu übernehmen.

Bezüglich konkreter Anschuldigungen greife ich nun einen Einzelfall heraus: Vor kurzem gab es anonyme Anschuldigungen gegenüber zwei Beobachtern aus einem Beitrittsland, welche sofort in den Medien Niederschlag fanden. In diesen zwei Fällen, haben wir eine Stellungnahme unabhängiger Sachverständiger eingeholt, deren Bericht mir heute vorliegt.

Die Schriftexperten kommen zu dem Schluß, daß alle untersuchten Unterschriftenproben authentisch sind. Das bedeutet, daß sie von der Person vorgenommen wurden, deren Name im Register stand. In diesen Fällen können wir demnach nicht von Betrugsfällen oder Unregelmäßigkeiten ausgehen. Diese Vorwürfe sind böswillig erhoben worden.

Als Präsident dieses Hauses weigere ich mich zuzulassen, daß von unserer Arbeit durch böswillige oder nicht zu belegbare Vorurteile oder Gerüchte abgelenkt wird. Für diejenigen, die dies nicht wissen, möchte ich folgendes festhalten -die folgende Aussage richtet sich sowohl an Sie als auch an die Öffentlichkeite, welche unsere Arbeit beobachtet-:
In diesem Hause ist es Praxis, dass jedes Mitglied an jedem Tag seiner Präsenz durch Unterschrift die Anwesenheit bestätigt. Das erfolgt hier, wenn wir in der Plenartagung zusammensitzen. Das kann in den Fraktionen bei deren Sitzungen erfolgen. Das kann auch in den Ausschüssen bei deren Sitzungen erfolgen. Diese Unterschrift kann aber auch in einem Zentralregister geleistet werden.

Wenn dieses Register im Plenum unterzeichnet wird, dann besteht nicht die Pflicht, den übrigen Teil des Tages im Plenarsaal zu verbringen. Es gibt auch keine Verpflichtung, den weiteren Tag in der Fraktionssitzung zu verbringen, wenn man in der Fraktion unterzeichnet hat. Und es besteht ganz bestimmt keine Verpflichtung, den ganze Tag im Zentralregister zu verbleiben, wenn man sich dort eingetragen hat.

An dieser Stelle möchte ich anmerken, dass eine Unterschriftenleistung zur Festsellung der Präsenz nicht in allen Parlamenten der Mitgliedstaaten verlangt wird. Und ich möchte hinzufügen, daß wir in diesem Hause mehr verlangen als viele Parlamente in den Mitgliedstaaten der Union, deren Regierungssysteme auf parlamentarischer Demokratie beruhen. Und ich möchte für unsere Freunden hier und auch außerhalb wiederholen: wenn fundierte Beweise für Missbrauch erbracht werden, dann werden wir diese Beweise genauso verfolgen, wie in dem Fall, welchen ich eingangs angesprochen habe. Wir werden jeden Fall ohne Angst und ohne irgendwelche Begünstigungen angehen. Wir werden immer von der Annahme der Unschuld ausgehen, bis es deutliche Beweise für das Gegenteil gibt. Wir werden nur von Beweisen ausgehen, wir werden uns nicht von Vorurteilen leiten lassen. Wir werden es nicht zulassen, dass die Regenbogenpresse uns ein Drehbuch vorschreibt.

Für weitere Informationen:

David Harley, Pressesprecher, Mobil: 0032 / 496 599 453
Alison Suttie, Pressereferentin, Mobil: 0032 / 478 359 596
Helen Kearns, Pressereferentin, Mobil: 0032 / 478 585 281