Sehr viele haben bei Wind und Wetter toll gekämpft – danke!, Interview mit Sylvia-Yvonne Kaufmann, erschienen in Disput Juni 2004
Wie sehr hast du an Wiedereinzug ins Europaparlament geglaubt?
Ich war die ganze Zeit fest davon überzeugt: weil es viele Menschen gibt, die eine linke sozialistische Partei in Deutschland und in Europa wollen, und weil wir auch eine überzeugende Arbeit im europäischen Parlament geleistet haben. Ich habe immer wieder darauf hingewiesen, was wir alles erreichen konnten, auch wenn wir im alten Parlament »nur« sechs von 626 waren.
Ich möchte mich von Herzen bei allen Wahlkämpferinnen und Wahlkämpfern der PDS bedanken, die mit großem Engagement für dieses Ergebnis gekämpft haben. Mein Eindruck war, dass in der PDS die bundespolitische Bedeutung der Europawahl verinnerlicht worden ist. Es haben sehr viele bei Wind und Wetter – und es gab ja oft schlechtes Wetter – sehr toll gekämpft.
Du hast zum dritten Mal einen Europawahlkampf bestritten. Worin unterschied sich der im Jahr 2004 von den Vorgängern?
Der Wahlkampf verlief diesmal relativ schleppend. Es war deutlich schwieriger, mit Wählerinnen und Wählern ins Gespräch zu kommen, an den Ständen zum Beispiel – im Osten wie im Westen. Ich glaube, dass das zum einen am Frust gegenüber den Parteien, insbesondere großen politischen Parteien, liegt. Zum Zweiten: Nach wie vor ist unbekannt, wie wichtig die europäische Ebene im Alltag der Bürgerinnen und Bürger ist. Ich sehe da alle Parteien, auch die PDS, in der Pflicht, mehr zu vermitteln, dass Europa nicht weit weg ist, sondern vor Ort beginnt, sozusagen aus dem Wasserhahn kommt.
Gab es im Wahlkampf Überraschungen?
Die meiste Freude im Wahlkampf haben mir die vielen Veranstaltungen mit Schülerinnen und Schülern gemacht. Sehr interessant für mich war eine spezielle Veranstaltung: Im bundesweiten Wettbewerb »Jugend debattiert«, unterstützt von mehreren Stiftungen, trainierten junge Leute, politische Debatten zu führen. Ich war sehr erstaunt, als wir als gestandene Politikerinnen und Politiker mit den Bundessiegern dieses Wettbewerbs konfrontiert wurden. So engagierte und kluge junge Leute zu erleben, war sehr toll.
Was werden die ersten Schwerpunkte fürs neue Europaparlament sein?
Das Nächste wird (nach der Verabschiedung der Verfassung) die Neubesetzung der EU-Kommissionen im November sein. Dann wird es harte Diskussionen über die Neuverteilung der EU-Finanzen, des EU-Haushalts geben. Und wir werden zentrale Projekte diskutieren, bei denen es beispielsweise um die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger geht, Stichwort: das Chemieweisbuch, mit dem die chemische Industrie gezwungen werden soll, die Schädlichkeit in mehreren zehntausend Stoffen nachzuweisen, bevor sie, in welcher Form auch immer, in den Alltag der Menschen gebracht werden.
Das Ergebnis der PDS bei der Europawahl ist auch für die linke Fraktion von erheblicher Bedeutung.
Es wird wieder eine starke linke Fraktion geben, die an den guten Erfahrungen der bisherigen Linksfraktion anknüpfen kann. Die PDS im europäischen Parlament hat auch in dieser Fraktion immer eine sehr ausbalancierende Rolle zwischen den unterschiedlichen Positionen, die es natürlich in der Fraktion gibt, gespielt. Und ich sehe uns auch in der Verantwortung, die Zusammenarbeit der Linken noch über die Fraktion weiter zu befördern. Mit der Linkspartei im Rücken haben wir da natürlich gute Chancen.