Schienenverkehr ins Zentrum europäischer Verkehrs- und Strukturpolitik: zur Sicherung von Arbeitsplätzen und nachhaltiger Entwicklung

Presseinformation zur Anhörung mit Vertretern des Bombardier-Eurobetriebsrates zu den von Bombardier angekündigten Betriebsschließungen, von Helmuth Markov, PDS-Europaabgeordneter

Auf Initiative der Fraktion der Vereinten Europäischen Linken/Nordische Grüne Linke im Europäischen Parlament (GUE/NGL) fand am 30. März 2004 im Europäischen Parlament in Straßburg eine öffentliche Anhörung zu den von Bombardier Transportation angekündigten Betriebsschließungen an sieben europäischen Standorten statt.

Abgeordnete aller Fraktionen des Europäischen Parlaments ließen sich von den Vertretern des Europäischen Betriebsrates von Bombardier Joachim Hauber (Deutschland), Paulo Félix und Amadeu Moreira (Portugal), Dave Hall und Walter Wilson (Großbritannien) und Anders Carlson (Schweden) über die Forderungen der Beschäftigten an Unternehmensleitung und Politik informieren.

Nach Angaben der Eurobetriebsrates sieht der Schließungsplan der Unternehmensleitung vor, vom 4. Quartal 2004 bis zum 2. Quartal 2005 sieben Werke mit insgesamt 2842 Beschäftigten zu schließen. Betroffen sind Ammendorf/Deutschland (640 Beschäftigte), Amadora/Portugal (612 Beschäftigte), Kalmar/Schweden (300 Beschäftigte), Pratteln/Schweiz (520 Beschäftigte), Derby Pride Park/Großbritannien (280 Beschäftigte), Doncaster/Großbritannien (130 Beschäftigte) und Wakefield/Großbritannien (360 Beschäftigte). Durch Stellenabbau in anderen Bombardier-Werken sollen darüber hinaus in Europa weitere 2838 und damit insgesamt 5680 Beschäftigte der weltweit 35.600 Beschäftigten bei Bombardier Transportation entlassen werden.

Für den 1. April ist ein Treffen des Eurobetriebsrates mit der zentralen Leitung von Bombardier Inc. angesetzt, bei dem der Betriebsrat kurzfristige Forderungen an das Management formulieren wird, die auf die Sicherung der 5680 bedrohten Arbeitsplätze und den Erhalt der vorhandenen Produktionsstrukturen, inklusive der betroffenen Zuliefererbetriebe, abzielen.

Die Betriebsratsvertreter formulierten darüber hinaus eine Reihe von an die Politik gerichteten langfristigen Forderungen, die notwendige strukturpolitische Entscheidungen betreffen:

– Schaffung einer zukunftsgerichteten Verkehrspolitik für ein nachhaltiges, umwelt- und sozialverträgliches System zur Befriedigung gesellschaftlicher Mobilitätsbedürfnisse
– eine rasche europaweite Standardisierung der Fahr- und Signaltechnik zur Sicherung der Interoperabilität des europäischen Eisenbahnraumes
– Förderung eines europäischen Schienennetzes mit hohen Strecken- und Knotenkapazitäten statt der Konzentration auf wenige Korridore
– Einbindung der osteuropäischen Länder in das europäische Schienennetz, Stopp der vorrangigen Förderung des Straßenbaus in diesen Ländern
– Schaffung eines interoperablen europäischen Interregionetzes (Strecken von 200-300 km Länge) mit Betrieb im Stundentakt (1. Stufe) und schließlich Halbstundentakt (2. Stufe)
– Investitionsoffensive für den Güterverkehr zur Verbesserung des Netzzustandes, Gleisanschluss für alle bestehenden und noch zu genehmigenden Industrie- und Gewerbegebiete
– Verbleib des europäischen Schienennetzes in öffentlicher Hand

Der Eurobetriebsrat fordert die unverzügliche Planung und Umsetzung der formulierten Forderungen, weil nur so eine weitere Talfahrt der mit dem Schienenverkehr verbundenen Branchen verhindert und ein dauerhafter wirtschaftlicher Aufschwung erreicht werden kann. Nach seiner Einschätzung ist die Schließung der Bombardier-Werke das Ergebnis der seit den 80er Jahren erfolgten Liberalisierung des Schienenfahrzeugmarktes, die nicht wie versprochen zu mehr Wettbewerb, sondern zu Verdrängung und Marktkonzentration geführt hat.

Darüber machten die Betriebsratsvertreter auf den Verstoß der Bombardier-Leitung gegen die europäische Richtlinie über die Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer aufmerksam. Der Eurobetriebsrat ist von der Unternehmensführung nicht, wie in der Richtlinie vorgeschrieben, „frühzeitig und in angemessener Weise“ über die Entscheidung zu den Werksschließungen informiert worden, sondern erst im nachhinein. Im übrigen hat die Bombardierführung nie Interesse an einem echten Dialog mit dem Eurobetriebsrat gezeigt.