Für eine beschäftigungsorientierte EU-Binnenmarktpolitik

Zur Abstimmung über die EU-Binnenmarktstrategie 2003-2006 erklärt der PDS-Europaabgeordnete Helmuth Markov:

Das Europäische Parlament hat heute sein Votum über die EU-Binnenmarktstrategie für die Jahre 2003-2006 abgegeben. Einzig positives Resultat der Abstimmung: Die von der Kommission geplante EU-weite Liberalisierung der Wasserversorgung ist vorerst abgelehnt. Das Parlament hat deutlich gemacht, das Wasser ein öffentliches Gut ist und nicht den EU-Binnenmarktregeln unterliegen darf.

Darüber hinaus hat sich aber am Grundkurs des Kommissionspapiers nichts geändert. Unter Berufung auf in der Lissabon-Strategie gesteckte Ziele wie Wachstum, Vollbeschäftigung und Erhöhung des sozialen und regionalen Zusammenhalts wird weiterhin auf erhöhten Wettbewerb, Liberalisierung und so genannte Strukturreformen im EU-Binnenmarkt gesetzt. Es soll weitere Liberalisierungen im Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge, geben, insbesondere im Personenverkehr, bei Energie und Post – das Parlament schließt auch das Bildungs- und Gesundheitswesen nicht aus. Das System der solidarischen und umlagefinanzierten Alters- und Gesundheitsversorgung soll durch individualisierte und marktorientierte Konzepte wie Pensionsfonds und Patientenmobilität verdrängt werden. Anstatt eine Harmonisierung von Rechtsvorschriften auf hohem Niveau zum Schutz von Sozial-, Umweltschutz- und Verbraucherinteressen zu verfolgen, beharrt die Kommission auf dem Prinzip der gegenseitigen Anerkennung, das zwangsläufig Sozialdumping zur Folge hat.

Das starre Festhalten von Kommission und Parlament am bisherigen Kurs ist alles andere als gerechtfertigt. Die Erfahrungen der letzten zehn Jahre zeigen, dass Wettbewerbsförderung und Wirtschaftsliberalisierung die versprochenen Wachstums- und Beschäftigungseffekte nicht erbringen konnten, sondern im Gegenteil zu einer Verschärfung der wirtschaftlichen Probleme und zu wachsender Arbeitslosigkeit geführt haben. Auch die vorgeblichen Qualitäts- und Preisverbesserungen für die liberalisierten Netzwerkindustrien entsprechen nicht der Realität – hier sind im Gegenteil Preissteigerungen und sinkende Qualitäts- und Sicherheitsstandards zu beobachten.

Wir fordern die Kommission auf, endlich die soziale Dimension des Binnenmarktes in den Mittelpunkt ihrer Politik zu rücken und das europäische Sozialmodell auszubauen, anstatt es zu demontieren. Im Interesse von Beschäftigung, Verbraucherschutz und nachhaltiger Entwicklung muss eine Vereinheitlichung von Schutzstandards im Binnenmarkt auf hohem Niveau, verstärkte Kontrolle von Unternehmenskonzentrationen und eine Stärkung des öffentlichen Sektors angestrebt werden. Die geplanten Liberalisierungsvorhaben sind sofort zu stoppen und eine umfassende Evaluierung bisher erfolgter Liberalisierungen vorzunehmen, die Bereiche der öffentlichen Daseinsvorsorge sind vom Wettbewerbsrecht auszuschließen. Insbesondere müssen Arbeitnehmer/innen und Verbraucher/innen stärker an den Entscheidungen zur EU-Binnenmarktpolitik beteiligt werden.