Sozial gerechte Reform des Stabilitätspakts jetzt notwendiger denn je

Zum Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) gegen den Beschluss der EU-Finanzminister vom November 2003, mit dem das Defizitverfahren gegen Deutschland und Frankreich ausgesetzt wurde, erklärt die PDS-Europaabgeordnete Dr. Sylvia-Yvonne Kaufmann:

Erwartungsgemäß hat der EuGH den Beschluss der EU-Finanzminister gekippt, weil er mit EU-Recht nicht vereinbar sei und die Minister ihre Kompetenzen überschritten hätten. Die EU-Finanzminister hätten das Defizitverfahren nur beenden oder es fortsetzen, nicht aber aussetzen können.

Mit diesem Urteil des EuGH wird zwar die Rolle der EU-Kommission als „Hüterin“ der Verträge gestärkt, aber die tatsächlich in Zusammenhang mit dem Stabilitätspakt seit längerem auf der Tagesordnung stehenden akuten Probleme keiner Lösung zugeführt. Zuletzt im Juni hatte selbst die EU-Kommission eingeräumt, dass der Stabilitätspakt zu strikt bei der Beurteilung von zu hohen Defiziten sei, weil er die wirtschaftliche Lage ungenügend berücksichtige. Währungskommissar Almunia hatte sich deshalb für „mehr Flexibilität bei den Regeln“ ausgeprochen.

Genau darum geht es: Der so genannte Stabilitäts- und Wachstumspakt fördert weder wirtschaftliche Stabilität noch Beschäftigung, wohl aber weiter gehenden Sozialabbau. Überfällig ist daher seine umfassende und sozial gerechte Reform, damit nachhaltiges Wachstum in Europa endlich eine Zukunft erhält und Menschen in existenzsichernde Beschäftigung gelangen können. Mit dem EuGH-Urteil ist die EU-Kommission dringender denn je gefordert, als ersten Schritt eine neue Berechnungsgrundlage für das Drei-Prozent-Defizit-Kriterium auf den Weg zu bringen, die öffentliche Investitionen ausklammert, um damit die Binnennachfrage EU-weit ankurbeln zu können. Anreize werden benötigt, um bei Wirtschaftswachstum Budgetüberschüsse zu erzielen, um Verschuldung abzubauen und in Abschwungphasen ein Gegensteuern durch den Staat zu ermöglichen. Darüber darf nicht länger nur debattiert, es muss endlich gehandelt werden.

Brüssel, den 13. Juli 2004