Türkei muss Reformanstrengungen erhöhen
Zur im Europäischen Parlament bevorstehenden Verabschiedung des Oostlander-Berichts (A5-0204/2004) über den Fortschrittsbericht der Europäischen Kommission zur Türkei erklärt Feleknas Uca, PDS-Europaabgeordnete:
Die morgen zu erwartende Verabschiedung des Oostlander-Berichts durch das Europäische Parlament ist zu begrüßen. Der Bericht bestätigt die grundsätzliche Möglichkeit der Türkei, der EU beizutreten. Gleichzeitig räumt er mit der Illusion auf, dass die bisher von der Türkei unternommenen Reformanstrengungen ausreichend sind, um mit der Aufnahme von Beitrittsverhandlungen zu beginnen. Er stellt heraus, dass die Türkei die für einen positiven Bescheid grundlegenden politischen Kriterien von Kopenhagen bislang nicht erfüllt und dass eine konsequente Umsetzung der bisherigen Reformschritte weiterhin aussteht.
Der Bericht benennt mit klaren Worten viele der Problemfelder, die weiterhin Hindernisse für einen EU-Beitritt sind. Neben der dringlichen Klärung des Zypernkonflikts sind dies vor allem Defizite im rechtsstaatlichen Bereich: Betont werden der weiterhin große Einfluss des Militärs in Staat und Gesellschaft, die eklatanten Mängel im Justizwesen (z.B. im Fall Leyla Zanas), die mangelhafte Umsetzung der Rechte der Minderheiten, insbesondere der Kurdinnen und Kurden und die weiterhin existierende Folter.
Begrüßenswert ist die Erwähnung der Gleichstellungsthematik, des Problems der Gewalt gegen Frauen und die Forderung nach Tilgung der unsäglichen Ehrbegriffe aus dem Strafgesetzbuch. Auch die Erwähnung Armeniens ist positiv zu bewerten, gerade auch der Verweis auf den weiterhin von der Türkei negierten Völkermord. Ebenfalls begrüßenswert ist die Forderung nach Umsetzung aller Urteile des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs, auch wenn hier eine Erwähnung des Falls Öcalan gleichfalls vonnöten gewesen wäre.
Deutlichere Worte hätte ich mir auch gewünscht, was die Situation der Kurdinnen und Kurden betrifft, denen nicht nur ihre kulturellen Rechte verweigert werden, sondern die vor allen Dingen auch weiterhin massiven Repressionen durch staatliche Behörden ausgesetzt sind. In diesem Zusammenhang problematisch ist die im Bericht angesprochene Notwendigkeit eines verbesserten Entgegenkommens der EU bei der Terrorbekämpfung – hier scheint man zu vergessen, dass die Türkei in der Vergangenheit gravierende Menschenrechtsverletzungen wie Mord und Folter insbesondere mit Verweis auf angebliche Terrorbekämpfung legitimiert hat. Auch die Forderung nach einer vollständigen Abschaffung der Todesstrafe fehlt.
Insgesamt jedoch ist der Bericht positiv zu bewerten, da er die Debatte um einen Beitritt der Türkei zur EU auf die kritischen Punkte fokussiert, die der Aufnahme von Beitrittsverhandlungen derzeit entgegenstehen. Dies sind die Kriterien, an denen sich die Türkei mit ihrem Beitrittswunsch messen lassen muss. Nicht vergessen werden sollte jedoch, dass der Bericht ebenfalls herausstellt, dass die Türkei es selbst in der Hand hat, hier Änderungen zu erreichen, so dass die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen erfolgen kann.
Strasbourg, den 31. März 2004
Feleknas Uca, MdEP