Gerichtsurteil ist Ohrfeige für Bundesrepublik
Zum Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zur Beurteilung von bundesdeutschen Enteignungen von Bodenreformeigentümern erklärt die PDS-Europaabgeordnete Christel Fiebiger:
Die vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EMGR) am 22.01.2003 einstimmig gefällte Entscheidung, dass die entschädigungslose Enteignung von Bodenreformeigentümern zugunsten des Landesfiskus das Recht auf Achtung des Eigentums und damit die Europäische Menschenrechtskonvention verletzt, ist ein wichtiger Teilerfolg der seit vielen Jahren kämpfenden Betroffenen, die sich in Vereinen zur Verteidigung der Bodenreform organisiert haben. Dass das Gericht die nachträgliche Entziehung des vererblichen Eigentums durch das bundesdeutsche Bodenreformabwicklungsgesetz von 1992 als „Zurückdrehen der Uhren“ bezeichnet, ist mehr als bemerkenswert, das ist eine schallende Ohrfeige für die Bundesrepublik Deutschland.
Als einzige Partei hatte die PDS in den vergangenen Jahren wiederholt mit Gesetzesinitiativen und Anträgen im Bundestag und in Landtagen die Beendigung der enteignungsgleichen Abwicklung der Bodenreform gefordert, da diese im Gegensatz zum „Modrow“-Gesetz über die Rechte von Eigentümern aus der Bodenreform vom 06.03.1990, das alle Beschränkungen des Bodenreformeigentums aufhob, steht. Das wurde jedes Mal abgelehnt. Es erfüllt mich deshalb mit Genugtuung, dass der EMGR mit seinem Urteil den politisch Verantwortlichen Nachhilfe in Sachen Recht und Demokratie gegeben hat.
Jetzt halte ich folgendes für politisch geboten:
Erstens müssen die Länder ihre Aktivitäten zum Entzug von Grundstücken bzw. zur Erlösauskehr sofort einstellen.
Zweitens muss der Bund die notwendigen gesetzgeberischen Konsequenzen aus dem Urteil ziehen.
Es geht um nicht mehr und nicht weniger als um die Wiederherstellung der Rechtsstaatlichkeit. Dazu gehört auch, das tausendfach praktizierte Unrecht wieder gut zu machen.