EU-Arbeitszeitrichtlinie stärken statt schwächen – Arbeitszeitverkürzung jetzt!

Zu dem Versuch der konservativ-liberalen Mehrheit im Europaparlament, im Verbund mit einigen Regierungen sowie der EU-Beschäftigungskommissarin die EU-Arbeitszeitrichtlinie zu kippen, erklärt die PDS-Europaabgeordnete Dr. Sylvia-Yvonne Kaufmann:

Die fortgesetzten Angriffe auf die EU-Arbeitszeitrichtlinie sind unerträglich. Gerade erst hat der Europäische Gerichtshof jenen Mitgliedstaaten, die wie Deutschland gegen die Richtlinie verstoßen, klar die rote Karte gezeigt, und schon wird weiter gezündelt. Die Richtlinie soll so verändert werden, dass de facto nichts mehr von ihr übrigbleibt:

So umgeht Großbritannien die Richtlinie ganz ungeniert, indem die sogenannte „opt out“-Klausel missbräuchlich überstrapaziert wird. Die Richtlinie kann ausgesetzt werden, wenn mindestens ein Arbeitnehmer „freiwillig“ zustimmt. Die Folge: In Großbritannien sind die Fälle überlanger Arbeitszeit so drastisch gestiegen, dass die EU-Kommission bereits vor den gesundheitlichen Schäden für die Betroffenen warnt. Aber das sind nicht mehr als Krokodilstränen. Denn auch die Kommission ist an den Versuchen, die Arbeitszeitrichtlinie auszuhöhlen, beteiligt: Beschäftigungskommissarin Anna Diamantopoulo will es künftig den Mitgliedstaaten selbst überlassen, was sie als „Arbeitszeit“ definieren. Sollte sich dies durchsetzen, so ist die Richtlinie nicht mehr das Papier wert, auf der sie steht.

Dazu kommt jetzt auch noch der massive Vorstoß von Konservativen und Liberalen im Europaparlament, eine überlange Arbeitszeit zum „Recht“ der Arbeitnehmer erklären zu wollen. In letzter Konsequenz läuft dies auf nichts anderes hinaus, als darauf, alle mühsam erkämpften Arbeitszeitbeschränkungen der letzten 150 Jahre in Europa zu kippen. Arbeiten wie zu Urgroßvaterszeiten, bis zu 12 Stunden am Tag – so sähe dann die Zukunft der europäischen Arbeitswelt aus.

Diesen Weg zurück in die Vergangenheit darf es nicht geben. Tagelanger unbezahlter Bereitschaftsdienst in Krankenhäusern und anderswo sind ein unhaltbarer Zustand. Die EU-Kommission sollte stattdessen einen Vorschlag zur Revision der Richtlinie vorlegen, der die vorhandenen Schlupflöcher abschafft, dazu die EuGH-Urteile verbindlich umsetzt und die maximale Wochenarbeitszeit erheblich absenkt. Arbeitszeitverkürzung kann mehr Beschäftigung schaffen, eine Verlängerung der Arbeitszeit hingegen nicht.

Straßburg, den 10. Februar 2004