Betriebsverlagerungen im EU-Binnenmarkt

Treffen der Fraktion der GUE/NGL mit Beschäftigten der von Schließung bedrohten Ronal-Niederlassung in Frankreich

Die Fraktion der Vereinten Europäischen Linken/Nordische Grüne Linke hat heute, noch vor der Neukonstituierung des Europäischen Parlaments, bereits ihre politische Arbeit aufgenommen und eine Delegation von Gewerkschaftsvertreter/innen des Unternehmens Ronal empfangen.

Betriebsratsvorsitzender und Rechtsanwalt des Betriebsrates schilderten der Fraktion die Situation der 170 Arbeitnehmer/innen der französischen Niederlassung des (ursprünglich deutschen) Aluminiumradherstellers Ronal in Saint-Avold (Moselle), deren Werk vor der Schließung steht: Auf Druck der Aktionäre sei die Produktion in zwei polnische und ein tschechisches Werk verlagert und das Betriebsergebnis im französischen Werk so bilanziert worden, dass die Geschäftsführung Insolvenz anmelden und die Folgekosten auf den französischen Steuerzahler abwälzen konnte. Die Belegschaft reagierte mit einer zeitweiligen Übernahme der Produktion in Eigenverwaltung und unternahm eine Fahrt zu zwei ebenfalls von Schließung bedrohten Ronal-Niederlassungen in Deutschland – Först und Landau – sowie zur polnischen Niederlassung von Jelzc, um die polnischen Kolleg/innen für das Problem zu sensibilisieren. Die Kontaktaufnahme in Polen sei durch die Geschäftsleitung durch massiven Einsatz von privaten Sicherheitskräften und Konfiszierung der Informationsmaterialien behindert worden, konnte aber nicht gänzlich verhindert werden. Gemeinsame Strategie der französischen Gewerkschaften und der Solidarnocs in Polen sei es nun, die Betriebsverlagerung für die Geschäftsführung so wenig lukrativ wie möglich zu gestalten – auf französischer Seite durch die Durchsetzung von Sozialplänen in Höhe von 15 Millionen Euro, auf polnischer Seite durch den Kampf um höhere Sozialstandards und Mitbestimmungsrechte für die Arbeitnehmer/innen.

Die GUE/NGL solidarisiert sich mit den Beschäftigten von Ronal und wird weiterhin an der Seite der Gewerkschaften gegen Unternehmensverlagerungen und Steuer- und Sozialdumping in der EU mobilisieren. Ronal ist bei weitem kein Einzelfall – immer mehr Unternehmen verlagern ihre Produktionsstätten in Regionen mit niedrigeren Steuer- und Sozialstandards. In der Debatte wurden Vorschläge entwickelt, wie durch gesetzliche Bestimmungen Unternehmensverlagerungen erschwert beziehungsweise unattraktiv gemacht könnten:

– Ein Unternehmen in wirtschaftlichen Schwierigkeiten sollte bereits ein Jahr vor der mutmaßlichen Insolvenz die Beschäftigten einschalten und seine Bücher offen legen müssen, damit die Ursachen für die drohende Zahlungsunfähigkeit bekannt werden und Hilfsmaßnahmen rechtzeitig greifen können. Unternehmen, die ihre Beschäftigten nicht rechtzeitig informieren, müssen mit Sanktionen zu rechnen haben – mangelnde Unterrichtung der Arbeitnehmer/innen darf nicht weiterhin als Kavaliersdelikt behandelt werden. Eurobetriebsräte müssen mehr Mitspracherechte bekommen.

– Wenn ein Unternehmen öffentliche Fördermittel erhalten hat, so müssen seine Bilanzen öffentlich zugänglich sein. Öffentliche Fördermittel sind Steuergelder, daher haben Beschäftigte und die Öffentlichkeit ein Recht zu erfahren, wie diese Gelder eingesetzt werden. Die missbräuchliche Verwendung öffentlicher Fördergelder muss mit Strafen belegt werden, die keiner Verjährung unterliegen.

– Um die Ausnutzung von Steuerschlupflöchern zu unterbinden, muss die Besteuerung eines Unternehmens nicht am Firmensitz, sondern am Ort der Wertschöpfung beziehungsweise Dienstleistungserbringung erfolgen.

– Im Falle von Holdings darf ein Unternehmen nicht in Insolvenz gehen, so lange die Holding schwarze Zahlen schreibt: Die Holding muss zum Verlustausgleich zwischen ihren Unternehmen verpflichtet sein.

– Im Falle der Insolvenz muss der Rangrücktritt so geregelt sein, dass nicht die Banken, sondern prinzipiell die Beschäftigten als erste Zugriff auf die Insolvenzmasse haben. Darüber hinaus sollte bei Insolvenz vorrangig eine Managment buy out-Lösung angestrebt werden, damit die Beschäftigten die Möglichkeit erhalten, ihren Betrieb selbst zu erwerben.

– Im Rahmen der zu überarbeitenden Strukturfondsverordnung, die 2007 in Kraft tritt, muss eine Regelung eingeführt werden, die die Vergabe von EU-Fördermitteln für Unternehmen untersagt, die ihre Betriebsstätten innerhalb des EU-Binnenmarktes aus Gründen des Standortwettbewerbes und steuerlicher Vergünstigungen verlagern wollen.