Jetzt breite öffentliche Diskussion über EU-Verfassungsvertrag führen
Zum angekündigten SPD-Gesetzesvorstoß zur Einführung von Referenden auf Bundesebene erklärt die PDS-Europaabgeordnete Dr. Sylvia-Yvonne Kaufmann, Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments:
Der massive öffentliche Druck auf SPD und Bundesregierung, über die EU-Verfassung einen Volksentscheid abzuhalten, hat sich offenbar gelohnt. Die PDS hatte sich von Anfang an entschieden dafür eingesetzt, dass die Bürgerinnen und Bürger in allen EU-Mitgliedstaaten die Möglichkeit haben, selbst über die Zukunft Europas mitzuentscheiden, selbstverständlich auch in Deutschland. Vor dem Hintergrund, dass in den letzten Monaten immer mehr Regierungen, vor wenigen Wochen sogar die konservative Regierung Frankreichs, den Weg für ein Referendum zur EU-Verfassung frei machten, musste die SPD nunmehr einlenken und ihre sture Verweigerungshaltung aufgeben.
Jetzt kommt es darauf an, gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern eine intensive Diskussion über die zentralen Inhalte der Verfassung zu führen, die am 29. Oktober von den EU-Staats- und Regierungschefs in Rom unterzeichnet wird. Verhindert werden muss, dass die Verfassungsdiskussion als Ablenkungsmanöver von innenpolitischen Problemen, insbesondere von Hartz IV, missbraucht wird. Dies erfordert vor allem, dass die SPD ihren angekündigten Gesetzentwurf schnellstmöglich in den Bundestag einbringt und bei den anderen im Bundestag vertretenen Parteien für die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit zur Änderung des Grundgesetzes wirbt. Insbesondere der grüne Koalitionspartner muss nun Farbe bekennen, denn die Bündnisgrünen werden europapolitisch an Glaubwürdigkeit verlieren, wenn sie in dieser Frage weiter mit zwei Zungen zu sprechen: mit Außenminister Fischer einerseits, der zu den entschiedensten Gegnern eines Referendums gehört, und den Europa-Grünen andererseits, die im Wahlkampf vollmundig pro Volksentscheid auftraten.
Darüber hinaus ist die Bundesregierung gefordert, schnellstmöglich konkrete Fragen der Umsetzung eines Referendums zu klären und zum Beispiel Mittel dafür einzustellen, um die Bürgerinnen und Bürgern mit dem vollständigen Verfassungstext umfassend vertraut zu machen. Organisiert werden müssen breite öffentliche Informations- und Diskussionsforen zu den Inhalten der Verfassung. Zu all diesen Fragen gibt es, sei es in Dänemark, Irland oder Frankreich, bereits positive europäische Erfahrungen, auf die man zurückgreifen kann. Dazu gehört nicht zuletzt, endlich eine konstruktive Zusammenarbeit mit den Nichtregierungsorganisationen in der Bundesrepublik aufzunehmen, die sich seit Jahr und Tag für mehr direkte Demokratie in der Deutschland engagieren.
Berlin, den 30. August 2004