Endlich wissen die Bauern woran sie sind
Zur gestern Abend im Vermittlungsausschusses erzielten Einigung über das Gesetz zur Umsetzung der EU-Agrarreform erklärt das Mitglied des Europaparlamentes Christel Fiebiger:
Im Vergleich zu dem vom Bundestag am 1. April 2004 mit den Stimmen von Rot-Grün beschlossenem Gesetz zur Umsetzung der Reform der gemeinsamen Agrarpolitik in Deutschland stellt der am 30. Juni im Vermittlungsausschuss erzielte Kompromiss ein realitätsbezogenes, der tatsächlichen Situation in der Landwirtschaft besser gerecht werdendes Herangehen an die Reformumsetzung dar. Vernünftig ist es, dass die Umsetzung der Reform nun doch nicht über das Knie gebrochen werden soll, und dabei trotzdem das Reformziel, dass die Landwirte nur das produzieren sollen, was auf dem Markt nachgefragt wird und ihr Standort hergibt, beibehalten wird und zugleich die bloßen Besitzstandswahrer, deren Forderungen letztlich auf eine weitgehende Verweigerung der Reform hinausliefen, in die Schranken gewiesen wurden.
Mit Genugtuung stelle ich fest, dass wichtige Positionen, die von mir und der PDS in der Reformdebatte vertreten wurden, sich in dem Kompromiss wieder finden. Das betrifft insbesondere die im PDS-Europawahlprogramm verankerte Forderung, die mit dem Umbau des Agrarförderungssystems verbundenen „Umschichtungen aus Einkommensgründen nicht abrupt sondern als mehrjährigen Übergang“ zu vollziehen. Die im Kompromiss enthaltene zeitliche Verschiebung des Abschmelzprozesses der betriebsindividuellen Prämienrechte zugunsten des regionalen Flächenprämienrechts vom Jahr 2007 auf das Jahr 2010 und der vorgesehene progressive statt lineare Angleichungsverlauf gibt den Landwirtschaftsbetrieben mehr Anpassungszeit. Damit wachsen die Chancen, potenziell wettbewerbsfähige Betriebe zu erhalten und die Entwertung von Investitionen und Gesellschafteranteilen zu vermeiden. Das ist wichtig, da nur der Erhalt und nicht die Liquidation von Betrieben Einkommen und Beschäftigung sichert.
Vernünftig ist auch, dass bei der Bindung der Prämien an Gemeinwohlleistungen die EU-Richtlinien zum Umwelt-, Natur- und Tierschutz und zur Lebensmittelsicherheit 1 zu 1 umgesetzt werden sollen. Das ist letztlich ein Erfordernis der Chancengleichheit auf dem EU-Binnenmarkt. Nunmehr erwarte ich, dass die Bundesregierung auch bei der noch ausstehenden Festlegung von Anforderungen zur Erhaltung der Flächen in einem guten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand Vernunft walten lässt und keine überzogenen Forderungen in die Direktzahlungen-Verpflichtungenverordnung aufnimmt.
Ein Problem ist, dass die Aussagen über die Auswirkungen der Reform seitens der Politik wie der Wissenschaft sehr unterschiedlich sind und keine soliden Auswirkungsberechnungen vorliegen. Da der deutsche Weg der Umsetzung der GAP-Reform sich von den meisten anderen EU-Staaten unterscheidet, erwarte ich, dass die Bundesregierung die Auswirkungen auf Wertschöpfung und Einkommen nach Produktionszweigen, Standorten und ländlichen Regionen ständig analysiert und gegebenenfalls politisch reagiert.