Angriff auf den Verfassungsentwurf: Europäische Zentralbank will neoliberale Geldpolitik beibehalten
Nachdem die Europäische Zentralbank (EZB) im Europäischen Konvent mit dem Vorhaben gescheitert ist, ihre neoliberale Preisstabilitätspolitik als ein grundlegendes Ziel der Europäischen Union im Textentwurf zu verankern, versucht sie, dies nun im Zuge der Regierungskonferenz über den Verfassungsentwurf zu erreichen. So jedenfalls ist ihre Stellungnahme vom 22. September 2003 zu deuten.
Darin wird vorgeschlagen, einen Verweis auf „nichtinflationäres Wachstum“ oder „Preisstabilität“ in den Artikel I-3 der Verfassung aufzunehmen. Das klingt zunächst ganz harmlos – tatsächlich verbirgt sich dahinter aber erheblicher sozial- und wirtschaftspolitischer Sprengstoff.
Worum geht es? Bekanntlich besteht die Hauptaufgabe der Europäischen Zentralbank bislang darin, über die Geld- und Zinspolitik die Stabilität des Geldwerts der Einheitswährung Euro abzusichern. Es geht aber nicht darum – und genau das macht ihren unsozialen Charakter aus – auch eine beschäftigungs- und wachstumsorientierte Geldpolitik zu betreiben. Dafür haben sich seit Jahren die PDS und andere linkssozialistische Parteien in Europa massiv eingesetzt. Sie kritisieren, dass die EZB mit ihrem Mandat, in erster Linie für stabile Preise zu sorgen, der Wirtschafts-, Beschäftigungs- und Sozialpolitik zu enge und starre Grenzen vorgebe. Höhere Arbeitslosigkeit und Wirtschaftskrisen werden im Endeffekt dadurch geradezu gefördert.
Mit dem Verfassungsentwurf des Konvents wurde erstmals die Möglichkeit geschaffen, eine Richtungsänderung einzuleiten. „Vollbeschäftigung“ und „eine nachhaltige Entwicklung auf der Grundlage eines ausgewogenen Wirtschaftswachstums“ wurden als übergreifende bzw. grundlegende Ziele der Europäischen Union im Teil I des Textes verankert – neben der Sicherung der Preisstabilität, die im Teil III aufgenommen wurde. Dies könnte bedeuten, dass die Geldpolitik künftig in eine von der EU koordinierte Wirtschaftspolitik eingebunden wäre. Das will die EZB nun über die am 4. Oktober beginnende Regierungskonferenz zum Verfassungsentwurf kippen.
Demgegenüber sollten die Fortschritte im Verfassungsentwurf von linker Seite verteidigt werden. Die EZB als ein Organ der Europäischen Union muss auf die – nunmehr neu definierten – Ziele europäischer Politik verpflichtet bleiben. Sie muss in Zukunft nachhaltiges Wachstum, Beschäftigung und Preisstabilität ausgewogen fördern. Sonst erhält ein soziales Europa keine Chance.n
Die Autorin ist Mitglied des Verfassungskonvents und stellvertretende Vorsitzende der Fraktion GUE/NGL.