GATS und Maus – ein ungleiches Spiel

Eva Pilarová

Vom 23. bis 30. August 2003 fand ein deutsch-tschechisch-slowakischer Workshop der Stipendiatinnen und Stipendiaten der Rosa-Luxemburg-Stiftung in und bei Prag sowie in Bratislava zum Thema „Ländlicher Raum und Perspektiven der Jugend vor dem Hintergrund des EU-Beitritts und des GATS“ statt. Die Teilnehmer kamen aus Deutschland, der Tschechischen Republik, Polen, Russland, Bulgarien, Brasilien, Kolumbien und aus der Schweiz. Besonders gefreut hat uns die Teilnahme von Christel Fiebiger und André Brie von der GUE/NGL-Fraktion des Europäischen Parlaments. Wir diskutierten außerdem mit tschechischen, slowakischen und deutschen Politikern, u. a. mit Abgeordneten der Kommunistischen Partei, so mit Miloslav Ransdorf und Jaromir Kohlicek und mit Heiko Kosel von der PDS-Landtagsfraktion Sachsen. Außerdem trafen wir Vertreter des landwirtschaftlichen Sektors und junge Unternehmer. Auf Exkursionen in ländliche Gebiete hatten wir Gelegenheit, die Probleme aber auch das Potential der jeweiligen Orte kennen zu lernen.
Der Workshop widmete sich vor allem der Problematik und den Konsequenzen des Abkommens zur Liberalisierung von Dienstleistungen (GATS – General Agreement on Trade in Services) und der bevorstehenden Osterweiterung der Europäischen Union. Wir kamen zu dem Ergebnis, dass das größte Defizit der GATS-Verhandlungen in ihrer geringen Publizität gegenüber der Öffentlichkeit bestehe. In der Tschechischen wie auch der Slowakischen Republik herrscht allgemeine Unwissenheit darüber. Selbst die Parlamentsmitglieder weisen dieser Problematik eher eine untergeordnete Rolle zu. Auch in den Medien wird über den Verlauf und Ergebnisse der GATS-Verhandlungen kaum informiert. Wir sind uns daher bewusst, dass wir vor allem zu einer besseren Kenntnis der GATS-Problematik in den einzelnen Staaten beitragen müssen. Auch die Informationsarbeit der Mitglieder des Europäischen Parlaments gegenüber der Öffentlichkeit sollte sich unserer Meinung nach verbessern. Eine Medialisierung und Transparenz der Problematik ist unerlässlich.
Wir sehen ein klares doppeltes Demokratiedefizit in den GATS-Verhandlungen. Dies resultiert einerseits aus der Entstehungsphase des GATS, in der nur die jeweiligen Regierungen der einzelnen Staaten beteiligt waren, wodurch die Legitimation der Verhandlungen beeinträchtigt wurde. Andererseits liegt das Demokratiedefizit darin, dass die Europäische Union nur mit einer Position, nämlich mit der der EU-Kommission verhandelt, ohne dem Europäischen Parlament irgendwelche Mitwirkungsrechte zu gewähren.
Im zweiten Themenbereich des Workshops widmeten wir uns der Problematik und den umstrittenen Fragestellungen der Osterweiterung der Europäischen Union. Unseren Forschungsgegenstand bildete vor allem die politische, wirtschaftliche und soziale Lage in der Bundesrepublik Deutschland, in der Tschechischen und in der Slowakischen Republik sowie in Polen. Im Einzelnen haben wir uns insbesondere mit der Zukunft der Landwirtschaft und deren Subventionierung nach der Erweiterung der Europäischen Union, sowie mit der steigenden Arbeitslosigkeit und einer notwendigen effizienten Beschäftigungspolitik beschäftigt. Die Vorträge behandelten die politische und soziale Situation nach den Referenden zum EU-Beitritt und weitere spezielle Fragestellungen zur Lage der betreffenden Staaten. Zu erwähnen sind vor allem die Vorträge über die sozioökonomischen Folgen für den ländlichen Raum, über polnische Saisonarbeiter in Deutschland und über die Benesˇ-Dekrete und ihre Rechtswirksamkeit am Maßstab des Europarechts.
Wir kamen zu dem Ergebnis, dass sich die meisten politischen wie auch sozialen Auseinandersetzungen in den einzelnen europäischen Staaten sehr ähneln. Ängste vor negativen Folgen der Osterweiterung bestehen sowohl auf Seiten der alten wie auch auf der der zukünftigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Die Unterscheidungsmerkmale liegen dabei nicht in der Staatsangehörigkeit, sondern vielmehr in der politischen Orientierung. Lösungswege könnten daher eher im gemeinsamen Dialog vergleichbar politisch orientierter Gruppen erreicht werden. Darum hoffen wir, dass möglichst viele links orientierte Abgeordnete aus den zukünftigen Mitgliedstaaten der EU bei den Wahlen zum Europäischen Parlament erfolgreich sein werden. Wir hoffen ebenfalls, dass die Kommunistische Partei Böhmens und Mährens sich letztendlich für die Teilnahme an den Wahlen zum Europäischen Parlament entscheidet und die Fraktion GUE/NGL durch ihre Mitglieder verstärkt.
Der deutsch-tschechisch-slowakische Workshop stellte für alle Teilnehmer – und sicherlich auch für alle Gäste – eine inhaltliche und ideelle Bereicherung dar. Im Ergebnis des Workshops wird eine Textsammlung publiziert. Wir werden in der Erforschung der Bereiche „GATS und EU- Osterweiterung“ voranschreiten, um weiterhin unseren aktiven Beitrag zu leisten.n
(Die Autorin ist Stipendiatin der Rosa Luxemburg Stiftung)