Bodenreformerben vor europäischem Gericht
Am 18. September fand die mündliche Verhandlung der Beschwerde von enteigneten Neubauern-Erben vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg statt. Das ist ein politischer Erfolg im jahrelangen Kampf gegen die Diskriminierung ostdeutscher Bürger, unabhängig vom Ausgang des Verfahrens. Dem ging voraus, dass der Bundestag und nationale Gerichte – bis zum Bundesverfassungsgericht – sich geweigert hatten, die entschädigungslose Enteignung ostdeutscher Bürger, die Erben von Bodenreformgrundstücken waren, rückgängig zu machen.
Zur Erinnerung: Die Modrow-Regierung hat mit einem Gesetz, das am 6. März 1990 in der Volkskammer der DDR beschlossen wurde, das Eigentum an Bodenreformland dem übrigen Eigentum nach dem Zivilgesetzbuch der DDR gleichgestellt. Alle Beschränkungen, die dieses Eigentum betrafen, wurden aufgehoben. Der Bundesgesetzgeber deutete dieses Gesetz mit dem Einführungsgesetz zum BGB in Ostdeutschland um und setzte bereits abgeschafftes DDR-Recht wieder in Kraft. Im Ergebnis wurden 70.000 Erben von Bodenreformgrundstücken entschädigungslos enteignet. Das ist ein in der Geschichte der BRD einmaliger Vorgang.
Die PDS hat sich immer für die davon Betroffenen eingesetzt. Das gilt namentlich für Hans Modrow. Der Europaabgeordnete hat in Wahrnehmung seiner Obhutpflicht als Ministerpräsident a. D. in einer politischen Erklärung an den Gerichtshof sich dagegen verwahrt, dass die im Prozess der Deutschen Einheit im Interesse der Bürger der DDR erlassenen Gesetze durch die Bundesrepublik aufgehoben oder negiert werden. Auch seine Kollegin Christel Fiebiger engagiert sich seit Jahren gegen die Abwicklung der Bodenreform.
Nach der Verhandlung in Straßburg wurden die ehemaligen Großgrundbesitzer und ihre Erben aktiv. Ihr Verein ARE versucht, die kämpfenden Erben von Neubauern mit der Behauptung, sie säßen in einem Boot gegen die Bundesregierung, für ihre Interessen zu vereinnahmen. Dieser Bauernfängerei erteilte der Verein zur Verteidigung der Bodenreform Mecklenburg/Vorpommerns eine klare Absage. Während seine Mitglieder gegen das Unrecht bundesdeutscher Enteignung, also für die Respektierung der Bodenreform kämpfen, wollen die Alteigentümer das Gegenteil. Ihre bei europäischen Gerichtshöfen anhängigen Beschwerden zielen auf die Revision der Ergebnisse der Bodenreform von 1945/46 und damit des Einigungsvertrags, zumindest jedoch auf höhere Ausgleichsleistungen zu Lasten des Steuerzahlers.