We don’t need no education?! Bildung in der EU nur noch für Reiche?

Die gravierenden Veränderungen in der Bildungspolitik der Europäischen Union beschäftigten auch das Sozialforum in Paris. Gegenstrategien zu entwickeln zur zunehmenden Kommerzialisierung von Bildung nach den Vorgaben der Wirtschaft ist dringend geboten. Seitdem der Europäische Rat 2000 beschlossen hat, die EU zum „dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt zu machen“ – nichts anderes als eine beschönigende Umschreibung für knallharte profitorientierte Wirtschaftspolitik –, sind die Umstrukturierungsmaßnahmen beschleunigt im Gange. Hierbei geht es nicht (nur) um GATS, durch das Bildung droht zu einer Dienstleistung zu werden, die wie jede andere Ware gehandelt werden kann. Nein, ganz ohne GATS wird die Neuausrichtung der EU-Bildungspolitik auf die Interessen der Wirtschaft schon unermüdlich vorangetrieben, maßgeblich befördert von den Wirtschaftsverbänden, die die EU-Kommission bereits seit Jahren beraten. Dabei sind es weniger die Programmideen selber, die problematisch sind – so erschließt sich die Notwendigkeit einer stärkeren Vereinheitlichung von Studiengängen in einer EU mit bald 25 verschiedenen Bildungssystemen von allein; auch bietet computergestütztes E-Learning große Chancen, ebenso ist gegen Weiterqualifizierung im Rahmen lebenslangen Lernens nichts einzuwenden. Hochgradig problematisch sind jedoch die Nebeneffekte: Wenn Bildung darauf reduziert wird, für die Wirtschaft möglichst schnell die Voraussetzung für Verwertbarkeit auf dem Arbeitsmarkt zu schaffen, sind generell geringere staatliche Bildungsstandards plausibel. Weiterführende Bildung wird so immer mehr in den Bereich der individuellen Eigenverantwortlichkeit gedrängt. E-Learning und das Konzept des lebenslangen Lernens unterstützen diesen Prozess – zusätzlich mit dem von der Wirtschaft erwünschten Effekt, dass für E-Learning ein Computer gebraucht wird. Eine immer stärkere soziale Auslese ist vorgegeben.
Forderungen zu einer Veränderung der europäischen Bildungspolitik müssen hier ansetzen. Es kann nicht darum gehen, die Vereinheitlichung des Aufbaus von Studiengängen abzulehnen oder sich gegen Programme wie E-Learning einzusetzen: Es muss darum gehen, für alle Menschen das Recht auf Bildung sicherzustellen – kostenfrei und umfassend. Bildung darf kein Privileg der Reichen werden. Sie für ökonomisch Schwächere in Europa unerschwinglich werden zu lassen, bedeutet den Verzicht auf das Potenzial vieler Menschen. Es wäre nicht nur unsozial, sondern langfristig dumm, da es Europa in mehr als einem Sinn arm machen würde.n