Frauen und Sport – ein linkes Thema?

Ich muss zugeben: Es hatte mich überrascht, dass meine französische Kollegin Geneviève Fraisse aus der Fraktion der Vereinten Linken (GUE/NGL) einen Bericht zu Frauen und Sport im Europaparlament anfertigen wollte. Und doch: Sie hatte Recht. Ihr Bericht, der kürzlich in Straßburg verabschiedet worden ist, zeigt deutlich, wie wichtig gerade auch der Bereich Sport für eine emanzipative Politik ist.
Dies soll nicht schön reden, dass insbesondere Spitzensport auch vielfältige negative Auswirkungen hat: Die unbedingte Leistungs- und Gewinnorientierung der kapitalistischen Gesellschaft spiegelt sich auch in der oftmals gnadenlosen (Selbst-) Ausbeutung der AthletInnen wider. Doping mit all seinen gesundheitsschädigenden Auswirkungen, schonungslose Trainingseinheiten von frühester Kindheit an, sexueller Missbrauch sind nur einige der Kehrseiten der glänzenden Sportwelt von Medaillen und Siegen.
Dennoch: Die positiven Effekte insbesondere des Breitensports sind vielfältig. So hat er eine nicht zu unterschätzende soziale und integrative Funktion. Das körperliche Training trägt dazu bei, ein Bewusstsein für die eigenen Stärken zu entwickeln, ganz zu schweigen von den positiven Auswirkungen auf die Gesundheit, gerade auch für Menschen mit körperlichen Einschränkungen oder Behinderungen. Sport spornt dazu an, die eigenen Grenzen auszuloten und zu erweitern. Jeder erzielte Erfolg stärkt das Selbstbewusstsein und das Gefühl für die eigenen Fähigkeiten. Sport fördert Teamgeist und trägt damit auch zu Verständigung und Toleranz bei. Gleichzeitig kann Sport einen Freiraum vor gesellschaftlichen und sozialen Zwängen und für eine Überprüfung der geschlechtsspezifischen Klischees bieten.
Welch emanzipatorisches Potenzial Sport hat, zeigte im Sommer die 22-jährige Lima Azimi: Ihr Start als erste afghanische Sportlerin bei einer Leichtathletik-Weltmeisterschaft war eine unmissverständliche Absage an die Unterdrückung der Frauen in ihrem Herkunftsland. Allerdings kann auch die Symbolik nicht darüber hinwegtäuschen, wie gering die Spielräume für Frauen in Afghanistan weiterhin sind. So lief Lima Azimi in Paris erstmalig außerhalb einer Halle und konnte dies auch nur in langen Hosen tun.
Wenn auch die Situation der Frauen im Sport in Europa in keiner Weise mit der in Afghanistan vergleichbar ist – Grund zur Überheblichkeit besteht nicht. Von einer echten Gleichstellung sind Frauen auch in Europa weit entfernt. Dies zeigt sich schon allein daran, welche Sportarten mit Frauen und Männern assoziiert werden. Bei Frauen dürfte dies weiterhin eher Eiskunstlauf und Turnen sein – und nicht Basketball, Handball oder gar Hammerwerfen. Überholte geschlechtsspezifische Klischees sind gerade im Sport äußerst hartnäckig. Oder kann man sich vorstellen, dass einem männlichen Team als Prämie zur Erringung eines Europameistertitels ein Kaffeeservice überreicht worden wäre wie es der Frauenfußballnationalmannschaft geschah? Übrigens nicht in den 50er Jahren, sondern 1989!
Sport wird auch 15 Jahre später immer noch vor allem männlich definiert. Immer noch gibt es deutlich mehr männliche Spitzenathleten, die auch ungleich mehr Geld verdienen als ihre weiblichen Kolleginnen. In den Medien wird vor allem über männliche Sportler berichtet – die umfassende Frauenfußball-Berichterstattung bei der WM in den USA war eine positive Ausnahme, und es bleibt abzuwarten, wie lang das Medieninteresse bestehen bleibt. Aber nicht nur im Spitzensport, sondern auch im Freizeitsport gibt es deutliche geschlechtsspezifische Unterschiede, was u.a. daran liegt, dass der Zugang zu Sportanlagen stark auf Männer ausgerichtet ist.
Ein paar Zahlen zur Veranschaulichung: In der Europäischen Union treiben zwar relativ viele Menschen Sport, jedoch sind die geschlechtsspezifischen Unterschiede erheblich: Nach eigenen Angaben betätigen sich 29,5% der Männer, jedoch nur 16% der Frauen regelmäßig körperlich. Bei den 15- bis 24-Jährigen sieht es proportional nicht viel besser aus: 63% der Jungen und nur 37% der Mädchen. Das bedeutet, dass im Gegensatz zu den Männern nur knapp über die Hälfte der Frauen Sport treibt. Noch finsterer wird es allerdings, wenn man sich das Betreuungspersonal bei internationalen Wettkämpfen ansieht: Bei den Olympischen Spielen 2000 in Sydney gab es immerhin 38% weibliche Athleten, jedoch war das sonstige Personal inklusive der Schieds- und Kampfrichter fast komplett männlich: Der Frauenanteil beim technischen und medizinischen Personal lag bei 8% bzw. 4%. Ganz zu schweigen davon, dass Frauen, wie in allen Führungspositionen, auch in den Führungsgremien der Sportinstitutionen völlig unterrepräsentiert sind. Dass dies keine Nebensache ist, wird spätestens dann klar, wenn man sich vor Augen führt, welch ein bedeutender Wirtschaftsfaktor der Hochleistungssport ist.
Auch regional gibt es riesige Unterschiede in der EU. So treiben nach einer Studie des Europarats von 1999 70% der schwedischen Frauen Sport, übrigens der gleiche Prozentsatz wie bei den Männern. In Italien sieht dies ganz anders aus: Hier waren es nur 15% der Frauen, verglichen mit 32% der Männer.
Hinzu kommt, dass es immer noch deutliche soziale Unterschiede beim Sport gibt. Es sind erheblich mehr Frauen aus höheren Schichten, die Sport treiben. Besonders unterrepräsentiert sind weiterhin Migrantinnen. Dabei könnte gerade hier Sport einen Beitrag dazu leisten, sich weiter zu emanzipieren und Veränderungen in Gang zu setzen. Und diese sind angesichts von Sozialabbau, Fremdenfeindlichkeit und einem immer härter werdenden sozialen Klima mehr als nötig.
Frauen und Sport – ein wichtiges Thema für linke Politik? Und ob!