Linke Abgeordnete aktiv gegen Krieg und Interventionsstreitkräfte
Millionen Menschen haben weltweit gegen den Krieg im Irak protestiert und von den Politiker verlangt, auf ihre Wähler zu hören. Die Abgeordneten der Fraktion der Vereinten Linken und Nordischen Grünen im Europäischen Parlament haben diese Forderung in das Parlament und die Politik getragen. Sie waren gemeinsam mit friedensbewegten Kollegen der grünen, der sozialdemokratischen und der Fraktion der europäischen Regionalisten im Irak. Sie haben mit Kofi Annan und Hans Blix in New York gesprochen und mit Kongressabgeordneten in Washington diskutiert. Sie haben um Mehrheiten gegen den Irak-Krieg im Europäischen Parlament gerungen und ihren Beitrag dazu geleistet, dass sich deutsche und französische Außenpolitik bei ihrer Ablehnung einer kriegslegitimierenden Sicherheitsratsresolution auf breite politische Zustimmung stützen konnten. Sie haben als Teilnehmer und Redner an den Demonstrationen teilgenommen und sich an Blockaden von Militärtransporten beteiligt. Ein von Francis Wurtz, Vorsitzender der Fraktion der Vereinten Linken und Nordischen Grünen, und Paul Lannoye, grüner Europaabgeordneter aus Belgien, im Dezember initiierter Aufruf gegen den Krieg trug zu Kriegsbeginn die Unterschriften von über 700 Parlamentariern aus Europa, Lateinamerika und den USA.
Im Ringen um eine gemeinsame Position der EU-Mitgliedstaaten war es im Vorfeld des Irak-Krieges im Europäischen Parlament möglich, Mehrheiten gegen eine militärische Lösung des Konfliktes zu gewinnen. So verabschiedete das Parlament im Februar eine Entschließung in der es heißt: Das Europäische Parlament „lehnt jegliche einseitige Militäraktion ab und ist der Überzeugung, dass ein Präventivschlag weder dem Völkerrecht noch der UN-Charta entsprechen und die Krise verschärfen würde, indem andere Länder in der Region darin verwickelt würden; (es) betont, dass alles getan werden muss, um ein militärisches Eingreifen zu verhindern.“
Schon kurz nach dem Beginn des Krieges haben sich die Mehrheitsverhältnisse wieder verschoben: Das Europäische Parlament hat den Irak-Krieg nicht verurteilt, sich aber auf seiner April-Tagung gegen die Stimmen der Fraktion der Vereinten Linken und Nordischen Grünen für die forcierte Schaffung von EU-Interventionsstreitkräften ausgesprochen. Ein Änderungsantrag, in dem 37 Abgeordnete, darunter auch die Abgeordneten der PDS-Delegation, gefordert haben, „dass die Europäische Union den Krieg als Instrument zur Lösung von internationalen Streitigkeiten ablehnen soll“ scheiterte.
Drei Wochen haben die amerikanischen Truppen gebraucht, um die Hauptstadt des Iraks einzunehmen. Die befürchteten monatelangen Kämpfe, die Anwendung chemischer Waffen und andere Horrorszenarien sind nicht eingetreten. Wir sehen Fernseh-Bilder jubelnder Menschen und brennende Portraits von Saddam Hussein. Sie sollen uns sagen: Amerikaner und Briten haben den Irak befreit. „Sieg über Saddam: Hatten die Amerikaner doch Recht?“ titelte Sabine Christiansen am 13. April ihre Sendung. Vergessen, dass dieser Krieg völkerrechtswidrig war. Vergessen, dass er unter dem Vorwand der Bedrohung durch Massenvernichtungswaffen begann. Nur am Rande erwähnt, dass die amerikanischen und britischen Truppen uranhaltige Munition und Streubomben angewendet haben. Wenig erfahren wir über die Kriegsopfer, die Zerstörungen, die Folgen des Zusammenbruchs der Wasser- und Stromversorgung. Kollateralschaden wird man das später nennen. Die öffentliche Meinung soll die Anwendung militärischer Gewalt als Instrument der Außenpolitik wieder akzeptieren.
Der Irak-Krieg hat den Debatten um eine gemeinsame Außenpolitik der EU einen kräftigen Impuls gegeben. Bei allen positiven und wichtigen Aussagen zur Stärkung der UNO und des Völkerrechts sollte nicht übersehen werden, dass parallel dazu militärische Strukturen der Europäischen Union geschaffen werden, die dem Muster amerikanischer Außenpolitik folgen. Die zu würdigende Haltung der deutschen Bundesregierung in der Irak-Frage darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass Deutschland diese Strategie unterstützt und maßgeblich forciert. Erinnert sei hier nur daran, dass unter deutscher Ratspräsidentschaft im Jahr 1999 EU-Politik wurde, was Jacques Chirac und Tony Blair 1998 zur Zukunftsvision erklärt hatten: „Die EU muss in der Lage sein, ihre Rolle auf der internationalen Bühne voll und ganz zu spielen. Dazu muss die Union über autonome Handlungsfähigkeit verfügen, die sich auf glaubwürdige militärische Kräfte stützt, mit der Möglichkeit, sie einzusetzen, und mit der Bereitschaft, dies zu tun, um auf internationale Krisen zu reagieren.“
Hat der Irak-Krieg, wie die Mehrheit der Abgeordneten des Europäischen Parlaments meinen, gezeigt, dass Europa zur Durchsetzungsfähigkeit seiner Außenpolitik einen militärischen Unterbau braucht? Braucht Europa, um für die USA Partner zu sein, eine starke, weltweit einsetzbare Armee? Der Versuch, den Abstand zwischen den USA und Europa bei den Streitkräften und Rüstungen zu überwinden und derart Einfluss auf amerikanische Politik zu gewinnen, ist nicht nur illusorisch und kostspielig, er führt zu Wettrüsten weltweit – mit allen bekannten Konsequenzen für die sozial-ökonomische Entwicklung. Es mangelt der Europäischen Union nicht an Streitkräften, sondern am politischen Willen, eine gemeinsame Strategie zur präventiven Konfliktverhinderung und zivilen Konfliktlösung zu entwickeln. Der Irak-Konflikt hat das in aller Schärfe gezeigt. Das Denken in militärischen Kategorien trübt den Blick für die Potenzen der Europäischen Union, Frieden und internationale Sicherheit auf anderem Wege zu befördern. Die Alternative ist eine Wirtschafts- und Entwicklungspolitik der EU, die eigenständige wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung weltweit ermöglicht und fördert, die Stärkung der UNO und die Entwicklung kooperativer internationaler Beziehungen, Abrüstung und eine konkrete ursachenorientierte Sicherheitspolitik. Dafür Mehrheiten zu gewinnen, das Denken in militärischen Kategorien zu ersetzen durch ein Verständnis von Sicherheit, das durch präventive Konfliktverhütung und ziviles Konfliktmanagement geprägt ist, dafür wirkt die Linke im Europäischen Parlament.n