Endlich Freiheit für die „kurdische Pasionaria“ Leyla Zana?

28. März 2003. Gerichtssaal in Ankara. Eröffnet wird die Neuverhandlung gegen Leyla Zana und weitere drei ehemalige kurdische Abgeordnete des türkischen Parlaments. Gemeinsam mit meinem italienischen Fraktionskollegen Luigi Vinci nehme ich am Prozessauftakt teil. Wir sind die einzigen Abgeordneten des Europaparlaments, die den Prozessbeginn gegen die Trägerin des Sacharow-Preises des Europäischen Parlaments und ihre Kollegen verfolgen. Im streng abgeriegelten Gerichtssaal sind Vertreter der Europäischen Kommission, Griechenlands, das derzeit die EU-Ratspräsidentschaft innehat, sowie des Europarats, auch Verteter der deutschen und der britischen Botschaft und eine Reihe türkischer Abgeordneter, unter ihnen der Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses.
Seit neun Jahren sitzt Leyla Zana im Gefängnis. Ihr Vergehen: Sie hatte es gewagt, im Jahr 1991 nach ihrer Wahl als erste weibliche kurdische Abgeordnete im türkischen Parlament einen Satz auf Kurdisch zu sagen. Dies wurde ihr als Unterstützung der PKK ausgelegt und brachte ihr eine Strafe von 15 Jahren Gefängnis ein – gefordert worden war sogar die Todesstrafe. Alle internationalen Proteste und auch das 2001 erfolgte Urteil des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs, in dem das Verfahren als unfair eingestuft wurde, führten bislang nicht zu ihrer Freilassung. Nun besteht jedoch neue Hoffnung, da eine Revision des Verfahrens zugelassen wurde. Dies allein ist schon ein Novum in der Türkei. Möglich wurde es durch die Reformen, die die Türkei, wenn auch nur zögerlich, im Rahmen ihrer Bemühungen um einen EU-Beitritt begonnen hat. So wird Leyla Zana diesmal keinem Militärrichter gegenüberstehen wie noch 1994 bei ihrer Verurteilung. Die neue Rechtsgrundlage besagt zudem, dass Kurdisch im Gegensatz zu damals nicht mehr verboten ist. Schlecht stehen ihre Chancen also nicht, freigesprochen zu werden.
Jedoch: Die Erwartungen, dass Leyla Zana direkt am ersten Verhandlungstag freigelassen werden würde, haben sich nicht erfüllt. Mit Verweis auf die fehlenden Vernehmungen der Belastungszeugen, die allesamt nicht zur Verhandlung erschienen waren, wurde der Prozess auf den 25. April vertagt. Auch dieser Termin wird wieder große internationale Aufmerksamkeit auf sich ziehen, ist das Verfahren doch eine Art Test auf die Ernsthaftigkeit des Reformprozesses in der Türkei. Die bisherigen Signale sind mehr als widersprüchlich. Erst vor kurzem hat das türkische Verfassungsgericht die HADEP verboten – also die Nachfolgepartei der DEP, der Leyla Zana angehörte und die im Rahmen ihres Prozesses verboten worden war. Und auch dem Parteizusammenschluss DEHAP, in dem die HADEP bei den letzten Parlamentswahlen antrat, droht ein Verbot. Skepsis hinsichtlich der Reformen ist also angebracht – und internationaler Druck weiterhin notwendig.n