USA kündigten Einsatz von Giftgas im Irak an: Noch ein Bruch des internationalen Rechts?

USA kündigten Einsatz von Giftgas im Irak an: Noch ein Bruch des internationalen Rechts?

Die Tageszeitung junge Welt sprach mit André Brie, PDS-Abgeordneter im EU-Parlament. Er war 1985 und 86 wissenschaftlicher Berater der DDR-Delegation bei der Genfer Abrüstungskonferenz

F: Die USA beabsichtigen offensichtlich den Einsatz von Giftgasen im Irak. Um welche Gase handelt es sich dabei?

Wie US-Verteidigungsminister Rumsfeld erklärt hat, soll es sich dabei um CS-Gas handeln, das traditionell von der Polizei gegen zivile Unruhen eingesetzt wird, aber auch hohe Wirkung in Straßenkämpfen haben kann. Das ist ein Reizgas, das zu Würgen, Erbrechen, Reizungen von Augen und Nase führt, gegen das es keine Gegenwehr gibt.

F: Ist dieser Einsatz völkerrechtlich erlaubt?

Es ist eindeutig verboten, schon durch das Genfer Protokoll von 1925, das 1928 in Kraft getreten ist, und dann noch mal durch die Konvention über das Verbot chemischer Waffen. In der heißt es, daß unter keinen Umständen in Kampfhandlungen chemische Gifte eingesetzt werden dürfen, und es sind damit ausdrücklich auch nichttödliche Gifte gemeint. Es gibt nur eine mögliche Ausnahme – für polizeiliche Zwecke –, aber in internationalen Kampfhandlungen ist es unter keinen Umständen erlaubt. Auch nach US-amerikanischem Recht übrigens nicht. Das US-Strafgesetzbuch sieht sogar für den Fall, daß durch Giftgaseinsatz Menschen zu Tode kommen, die Todesstrafe als Höchststrafe vor.

F: Sie haben wegen der US-Pläne eine Anfrage an den Rat der EU gestellt. Was könnte der unternehmen?

Wir haben in diesem Jahr die Überprüfungskonferenz der C-Waffenkonvention. Ich erwarte vom Rat, daß er eine Position einnimmt zu dieser eindeutigen Vertragsverletzung durch die USA. Die hat ja eine umfangreiche Vorgeschichte. Die USA haben vor einem halben Jahr den Generaldirektor der Kontrollorganisation für C-Waffen, der ihnen nicht genehm war, zum Rücktritt gezwungen. Die Konvention ist der bisher effektivste internationale Abrüstungsvertrag, der umfangreiche Kontrollen unter anderem auch der zivilen Chemieindustrie vorsieht. Weil das den USA nicht genehm ist, haben sie ihre finanziellen Leistungen gekürzt, um zu verhindern, daß die amerikanische Chemieindustrie kontrolliert wird. Das ist ein Bestandteil des sogenannten Unilateralismus, mit dem die USA versuchen, alle internationalen Bindungen, die ihnen im Wege sind, abzustreifen.

F: Wie sieht es mit der C-Waffenproduktion in der Europäischen Union aus? In der Bundesrepublik wurde ja in der Vergangenheit wiederholt CS-Gas gegen Demonstranten eingesetzt.

Es gibt leider diese Lücke für polizeiliche und innerstaatliche Zwecke in der C-Waffenkonvention. Der sogenannte zivile Einsatz von solchen Giften ist erlaubt, solange er nicht tödlich wirkt. Es hat allerdings auch Todesfälle gegeben.

F: Zum Beispiel in Brokdorf 1976 …

Es gab seinerzeit bei der Genfer Abrüstungskonferenz eine intensive Diskussion darüber, um diese Lücken im Vertrag zu schließen, aber das ist am Widerstand fast aller Regierungen gescheitert. Deswegen können diese Gifte auch weiter produziert werden. Was völlig ausgeschlossen ist durch die Konvention, ist der internationale Einsatz und der Einsatz in allen bewaffneten Auseinandersetzungen.