GAP-Reform und die Sache mit dem Roggen

Christel Fiebiger

Artikel in: Europabrief 14/Juli 2003 (Herausgeber: Staatskanzlei Sachsen-Anhalt)

Im Ausschuss für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung war die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der wichtigste Arbeitsschwerpunkt der letzten zehn Monate. Diese Arbeitsperiode ist beendet. Der Ausschuss hat seine Beschlüsse gefasst. Am 5. Juni 2003 hat das Plenum die Stellungnahmen zum Reformprojekt verabschiedet. Allerdings ist damit keine Mitentscheidung verbunden, das Parlament wird nur konsultiert. Die Entscheidung liegt beim Rat.
Da sich die EU-Agrarminister bis zum Abgabetermin dieses Beitrages nicht einigen konnten, sondern vertagten und vermutlich erst der Europäische Rat in Thessaloniki (19./20.06.2003) eine Entscheidung bringen wird, ist es mir derzeit nicht möglich auszuführen, inwieweit der Wille des Europäischen Parlaments Eingang in die künftige EU-Agrarpolitik finden wird. Ungeachtet dieser Schwierigkeit möchte ich mich dennoch zum Ringen um eine GAP-Reform äußern.

Fließband-Arbeit der Abgeordneten
Im Agrarausschuss wurde eine harte Arbeit geleistet, um die teils unausgereiften bzw. unzumutbaren Vorschläge der Kommission für eine Reform der Agrarpolitik positiv zu korrigieren. Das beziehe ich ausdrücklich auf die Komplexe Getreide, Trockenfutter, Milch, mit Abstrichen auch auf den Komplex der Direktzahlungen, insbesondere auf die Abwehr der Degression und Totalentkoppelung dieser Beihilfen von der Produktion.
Zu den Verordnungsentwürfen für eine GAP-Reform gab es rund 1.200 Änderungsanträge. Über diese rekordverdächtige Antragsflut wurde am 20. und 21. Mai wie am Fließband, aufgrund des Zeitdrucks leider nicht immer widerspruchsfrei, abgestimmt. Zum Beispiel hatte der Ausschuss entschieden, dass die Modulationsmittel zu 100 % für die zweite Säule der Agrarpolitik, d. h. für die ländliche Entwicklung zu verwenden sind. Dieses Ergebnis verkündete der Ausschussvorsitzende auch der Presse. Im Gegensatz dazu legte der Ausschuss dem Parlament jedoch einen Bericht vor, in dem von mindestens 50 % die Rede war. Hier hatten die Ausschussjuristen Hand angelegt, weil der Ausschuss in gleicher Sache tatsächlich zweierlei beschlossen hatte. Erst bei der Abstimmung im Parlament wurde auf Basis eines Änderungsantrages mit Mehrheit entschieden, dass alle Modulationsmittel in die ländliche Entwicklung gehen sollen. Damit hat das Parlament Selbstbewusstsein demonstriert, denn diese Entscheidung kollidiert mit der vom Brüsseler Oktobergipfel 2002 beschlossenen Deckelung des Hauptteils der Agrarausgaben.

Persönlich hatte ich mich auf nur sechs (m. E. nicht unwichtige) Anträge beschränkt:

1. Ablehnung des Kommissionsvorschlags von jährlich anwachsenden und nach der betrieblichen Prämienhöhe gestaffelten Kürzungen der Direktbeihilfen (stattdessen eine gleichbleibende, nach benachteiligten und übrigen Gebieten differenzierte Kürzung);

2. Einbeziehung des Faktors Beschäftigung in die Modulation der Direktbeihilfen, indem jene Betriebe, die für überdurchschnittliche Beschäftigung sorgen, einen Teil der modulierten Mittel zurück erhalten, während Betriebe, die nur wenig Arbeitskräfte beschäftigen, aber hohe Direktzahlungen pro Arbeitskraft realisieren, nicht in den Genuss einer solchen Vergünstigung kommen sollen;

3. Keine Umverteilung von Modulationsmitteln zwischen den Mitgliedstaaten durch die Kommission, da damit faktisch ein zweiter Kohäsionsfonds geschaffen würde, sondern deren Verwendung für die ländliche Entwicklung im jeweiligen Mitgliedstaat. Über Fragen der Kohäsion sollte mit der Reform der Strukturfonds entschieden werden;

4. Begrenzung der Intervention von Roggen auf alternativlose Standorte anstatt ihrer vollständigen Abschaffung;

5. Keine administrative Flächenbegrenzung beim Anbau von nachwachsenden Rohstoffen, vielmehr soll das Kriterium eines gesicherten Absatzes (Vertrag mit einem Verarbeiter) ausreichend sein; Erhöhung des Hektarbetrages der neu vorgesehenen Hektarbeihilfe für Energiepflanzen und Nichteinführung des beabsichtigten Anbauverbots von nachwachsenden Rohstoffen und Energiepflanzen auf Stilllegungsflächen im Interesse des Klimaschutzes und der notwendigen Substitution fossiler Rohstoffe und Energien;

6. Beibehaltung der Möglichkeit der Rotationsbrache auf Stilllegungsflächen, da die 10-jährige Dauerbrache zu einer Entwertung der Böden und keinem ökologischen Gewinn führt.

Hiervon wurden direkt der 4. Antrag angenommen, indirekt auch die Anträge 1, 5 und 6, da es die Zustimmung zu in der Sache identischen Anträgen anderer Abgeordneter gab. Auf Ablehnung stießen die Anträge 2 und 3. Exemplarisch will ich jedoch nur auf den Roggen-Antrag eingehen.

Roggen – nur ein Randproblem?
Im Ausschuss war mein Antrag der einzige deutsche Antrag zu Roggen. Das hat mich verwundert. Immerhin gab es Proteste gegen die Brüsseler Absicht, die Intervention von Roggen ab dem Wirtschaftsjahr 2004/05 vollständig und ersatzlos abzuschaffen. Protestiert haben Landwirte, ihre Verbände, aber auch Landesregierungen und alle in Parlamenten vertretenen deutschen Parteien.
Unbeeindruckt davon hat die Kommission bislang an der Abschaffung der Roggenintervention festgehalten. Nicht zu Unrecht verweist sie auf die begrenzten Absatzmöglichkeiten auf dem EU-Binnenmarkt und den Drittlandsmärkten. Die Folge ist eine Ansammlung großer Interventionsbestände. Selbst mit Exportsubventionen ist Roggen schwer absetzbar. Auch ist ein subventionierter Export von Brotgetreide als Fischfutter nach Japan und Südkorea dem europäischen Steuerzahler weder zu vermitteln noch dauerhaft zuzumuten. Hinzu kommt die Befürchtung, dass nach dem EU-Beitritt Polens, des weltgrößten Roggenproduzenten, weniger Roggen als bislang in die Futtertröge, dafür jedoch in die Intervention wandern wird. Anderseits wäre eine ersatzlose Abschaffung der Roggenintervention eine Härte, die in der jetzigen EU-15 fast ausschließlich deutsche Bauern, und da auch nur jene auf den leichten Standorten treffen würde. Denn 80% der EU-Roggenproduktion kommen aus Deutschland. Deshalb beantragte ich, die Intervention von Roggen nicht vollständig abzuschaffen, sondern zeitlich befristet „auf jene Standorte zu begrenzen, für die es bislang keine vertretbaren pflanzenbaulichen und betriebswirtschaftlichen Alternativen zum Roggenanbau gibt“. Das würde zu geringeren Interventionsbeständen führen sowie Einkommen und Beschäftigung in benachteiligten Gebieten erhalten. „Darüber hinaus sollte ein Regelungsmechanismus zur Verbrauchsförderung von Roggen im Mischfutter und als Rohstoff für spezielle technische Anwendungen und zur Energieerzeugung geschaffen werden“. Tatsächlich würde die Abschaffung der Intervention Betriebe, die unter ungünstigen natürlichen Produktionsbedingungen (niedrige Bodenwerte und geringe Niederschläge) wirtschaften, besonders treffen. Im Vergleich zu anderen Getrei-dearten kann der Roggen diese Bedingungen am besten tolerieren. Sein Anbau ist auf leichten Standorten essentiell, andere Kulturarten sind unwirtschaftlicher. Die mit Arbeitsplatzverlust verbundene Erweiterung der Flächenstilllegung wäre keine Alternative – weder wirtschaftlich noch sozial. Deshalb soll die Intervention für diese Standorte beibehalten werden. Ein Beitrag zur Problemlösung wären auch gezielte Maßnahmen für mehr Roggen im Mischfutter, zur energetischen Verwertung und für die technische Nutzung. Deshalb bedarf es einer komplexen Lösung des Roggenproblems.

Ein Stück Normalität
Im Plenum legte dann auch die Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) und der Europäischen Demokraten einen identischen Antrag zum Roggen vor. In der Debatte warb der Abgeordnete Xaver Mayer (CSU) dafür mit dem Zusatz: „Frau Fiebiger hat darauf hingewiesen, auf sie geht das auch im Großen und Ganzen zurück.“
Zuvor hatte ich meine Anträge den Agrarministern in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt mit der Bitte um evtl. Hinweise übermittelt. Potsdam und Schwerin reagierten prompt und konstruktiv. Magdeburg bekundete Übereinstimmung in wesentlichen Punkten und bat mich um Unterstützung der von Ministerin Wernicke an Kommissar Fischler übermittelten Standpunkte und Argumente. Das sind Beispiele, dass Kontakte und Zusammenarbeit trotz politischer Unterschiede nützen. Es wäre vernünftig, daraus Normalität werden zu lassen.