Kohäsion und Verfassung: Rolle und Zuständigkeiten der Regionen
Bericht von der Konferenz der EU-Kommission zur Zukunft der Strukturpolitik am 8. Juli 2003 in Brüssel
Kohäsion und Verfassung: Rolle und Zuständigkeiten der Regionen
Zu diesem Thema organisierte die von EU-Kommissar Michel Barnier geleitete Generaldirektion für Regionalpolitik am 8. Juli 2003 in Brüssel eine Konferenz, bei der Kommissionspräsident Prodi weit über 200 Teilnehmer, darunter Präsidenten der Regionen, Minister deutscher Bundesländer, Vertreter der italienischen Ratspräsidentschaft, des Europäischen Parlaments, des Wirtschafts- und Sozialausschusses und des Ausschusses der Regionen der EU begrüßte. Zu den Teilnehmern zählten auch die EU-Kommissare Barnier (Regionalpolitik und Reform der Institutionen) Fischler (Landwirtschaft), Diamantopoulou, (Soziales), vertreten durch Generaldirektorin Quintin, Vitorino (Justiz und Inneres) sowie Jean Luc Dehaene, Vizepräsident des Konvents.
Dieser Dialog der Vertreter der europäischen Institutionen mit den Entscheidungsträgern der Regionen der EU, einschließlich der mittel- und osteuropäischen Beitrittsländer, diente dem Ziel, eine grundlegende politische Debatte über die zukünftige Kohäsionspolitik der Europäischen Union zu führen. Bevor die Finanzminister ihre Entscheidungen zur Finanzierung der Kohäsionspolitik treffen, sollten alle Beteiligten die politische Debatte über den Inhalt dieser wichtigen Säule der Gemeinschaftspolitik führen und dabei die neuen Herausforderungen der Erweiterung, des geringen wirtschaftlichen Wachstums in der EU, der Globalisierung und der zahlreichen weiteren Faktoren der aktuellen Situation berücksichtigen.
Ein Rundtischgespräch am Vormittag war den Fragen von Solidarität und Verantwortung in der Kohäsionspolitik gewidmet, bei dem ich als Vize-Vorsitzender des Ausschusses für Regionalpolitik, Verkehr und Tourismus die Position des Europäischen Parlaments vertrat.
Die Eckpunkte waren:
– Fortführung der Kohäsionspolitik der Gemeinschaft auf solidarischer Grundlage. Dabei sollen alle strukturell benachteiligten Regionen in den Genuss der Förderung der Gemeinschaft kommen können.
– In der auch für die ostdeutschen Länder besonders wichtigen Frage des statistischen Effektes bei der Einstufung als Ziel-1-Gebiet infolge der Erweiterung müssen diese Regionen auch künftig wie Ziel-1-ähnliche Gebiete mit der entsprechenden Förderhöhe und Beihilfepraxis behandelt werden.
– Unterstützung der Regionen, welche infolge eines Strukturwandels durch eine spezifische Situation auf dem Arbeitsmarkt gekennzeichnet sind, in denen der Bedarf an Umschulung und Weiterbildung des Arbeitskräftepotentials besonders hoch ist, und die sich in Randlage oder dünn besiedelten Gebieten befinden. Dazu ist eine neue Ziel-2-Förderung zu formulieren.
Im Hinblick auf die Diskussion über die künftige Höhe der Haushaltsmittel für die Kohäsionspolitik nach 2006 habe ich auf die sehr unterschiedlichen Positionen der Regierungen der Mitgliedsländer verwiesen, die sich auch in der Haltung der Abgeordneten widerspiegelten. Eine Mehrheit der Abgeordneten hat sich jedoch für die gegenwärtig geltende 0.45% -Schwelle des BIP der EU für die Kohäsionspolitik als Minimum ausgesprochen, welches nicht unterschritten werden sollte.
In krassem Widerspruch zu dieser Position steht jedoch die gegenwärtige Auslastung von 0.32% des BIP der EU im Haushalt 2003 und die für das Jahr 2006 bereits 1999 festgelegte Höhe von 0.43% des BIP der EU, die in keiner Weise den realen Anforderungen in den alten und neuen Mitgliedsstaaten gerecht werden. Dem steht auch nicht entgegen, dass die verschiedenen Instrumente der Kohäsionspolitik sehr unterschiedlich, aus regionalen Haushaltszwängen zum Teil auch bewusst nicht genutzt werden bzw. werden können, die Ausführungsraten der Programme unter den Möglichkeiten liegen und Mittel verfallen.
Des weiteren habe ich kritisiert, dass im Haushaltsvorentwurf für das Jahr 2004 die Obergrenze der Haushaltsmittel, die auch 1999 für den Zeitraum bis 2006 ursprünglich auf 1.27% des BIP der Union festgelegt wurde, in den letzten Jahren vom Europäischen Rat systematisch nicht ausgenutzt wurde und 2004 nur noch 0.99 % des BIP der EU betragen soll. Angesichts des Beitritts der mittel- und osteuropäischen Länder am 1. Mai 2004 stellt sich hier die Frage nach der Glaubwürdigkeit der EU und ihres politischen Willens, den Erwartungen von knapp 500 Millionen Bürgern nach europäischer Hilfe bei der Überwindung von gravierenden Entwicklungsproblemen gerecht zu werden.