Zur Einbeziehung der polnischen Landwirtschaft in die EU-Agrarpolitik – Anforderungen an Landwirte, ländliche Entwicklung und Volkswirtschaft
Vortrag auf dem Workshop der Stipendiatinnen und Stipendiaten der Rosa-Luxemburg-Stiftung (RLS) und der Fraktion der GUE/NGL im Europäischen Parlament am 26. August 2003 in Mechenice bei Prag – veröffentlicht in RLS, Manuskripte 47
I.
Allgemeine, nicht bloß auf Polen bezogene Bemerkungen zu den Problemen der Landwirtschaft im Rahmen der Ost-Erweiterung der EU
1. Zur Geschichte des Beitritts
Die Integration der MOEL in die Europäische Union ist ein Resultat des Prozesses der Überwindung der nach dem 2. Weltkrieg erfolgten politischen Spaltung Europas.
Im Prinzip kann man davon sprechen, dass die Integration bereits Ende der 60er Jahre mit der neuen Ostpolitik „Wandel durch Annäherung“ eingeleitet wurde, einer Politik, die auf die innere Erosion der sozialistischen Staaten setzte.
Die entscheidende Zäsur war der Zusammenbruch der sozialistischen Staaten 1989/90. Er war in erster Linie auf die systemimmanenten Schwächen des Staatssozialismus zurückzuführen.
Somit vollzieht sich die Integration Europas als kapitalistische Integration. Bei allen damit verbundenen Gewinn an bürgerlichen Freiheiten bis zum Wegfall der Grenzen, dominieren letztlich die Profitinteressen der großen westlichen Konzerne. Mittel- und Osteuropa ist da zu aller erst Absatzmarkt. Selbst wenn nicht wenig finanzieller Transfer aus EU-Fonds in die Beitrittsstaaten fließen dürfte, ist für mich klar, dass der Westen der Hauptnutznießer der EU-Osterweiterung sein wird – und zwar für lange Zeit.
Bekanntlich ist die jetzige EU weit davon entfernt, ein „Soziales Europa“ zu sein.
Es wäre deshalb eine Illusion, zu erwarten, dass die künftig größere EU sozialer als die alte sein wird. Selbst wenn ich als Linke dafür kämpfe.
In Deutschland werden derzeit die Weichen zum größten Sozialabbau in der Geschichte der Bundesrepublik gestellt. Ähnliches spielt sich in Frankreich u. a. EU-Ländern ab.
Im Juni 1993 beschloss der Europäische Rat bei seinem Treffen in Kopenhagen, den mittel- und osteuropäischen Ländern Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen, Polen, Rumänien, Slowakei, Slowenien, der Tschechischen Republik und Ungarn Beitrittsperspektiven zur EU zu eröffnen.
Im Juni 1997 empfahl die Kommission, die Beitrittskandidaten in zwei zeitlich aufeinanderfolgenden Gruppen zu behandeln. Nachdem der Europäische Rat dieses Vorgehen bei einer Tagung im in Luxemburg gebilligt hatte, sind seit Dezember 2002 zehn Staaten (Estland, Polen, Slo¬wenien, die Tschechische Republik, Zypern, Lettland, Ungarn, Litauen, die Slowakei und Malta) zum Beitritt eingela¬den; der Beitritt von Rumänien und Bulgarien ist erst für eine spätere Phase vorgesehen.
Inzwischen sind die Beitrittsverhandlungen abgeschlossen. Die Beitrittsländer haben bereits Vertreter ohne Stimmrecht im Europäischen Rat, beim Europaparlament, im Agrarrat und weiteren Gremien. Auch im Konvent waren sie präsent.
Der 1. Mai 2004 dürfte für die genannten 10 Staaten zum Termin des Beitritts werden – auch wenn noch einige Volksabstimmungen und Ratifizierungen durch nationale Parlamente bevorstehen.
2. Zur Agrarentwicklung in den mittel- und osteuropäischen Ländern (MOEL) nach der politischen Wende
In allen MOEL hat ein tief greifender Wandel des landwirtschaftlichen Sektors eingesetzt. Nach der Marktöffnung der MOEL kam eine Zeit des wirtschaftlichen Rück¬ganges. In ihr ist auch die landwirtschaftliche Produktion in eine dramatische Krise geraten, wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß den einzelnen Ländern:
● Verringerung der Produktion und Tierbestände
(z. B. betrug der Produktionsrückgang Anfang der 90er Jahre in Tschechien über 30 %).
● Teils dramatischer Abbau von Beschäftigten
(Beispielsweise ist in der Tschechischen Republik der Anteil der Beschäftigten in der Landwirtschaft von 9,9 % im Jahr 1989 auf inzwischen unter 4 % zurückgegangen.)
Dieser Entwicklungsweg ist – sieht man sich zum Vergleich die entsprechenden Kennziffern in der Landwirtschaft in den Ländern der EU-15 an – in den MOEL noch lange nicht an ein Ende gekommen.
Die Maßnahmen, die ergriffen wurden, um diese Krise zu bewältigen, haben die Lebensumstände der Menschen auf dem Land oftmals nicht verbessert.
Viele Bauern – vor allem jene mit kleinen Betrieben – sind mit den neuen Anforderungen, welche die Privatisierung gebracht hat, nicht zurechtgekommen.
Die Produktionskosten sind häufig viel schneller gestiegen als die Erlöse, die sie für die landwirtschaftlichen Produkte erzielen konnten.
Die staatlichen Subventionen sind in vielen dieser Länder zurückgegangen, die schwache Kaufkraft der Bevölkerung und steigende ausländische Konkurrenz – oftmals mit Produkten aus der EU, deren Produktion sehr stark subventioniert wird – bedeuteten für viele Bauern, dass sie ihre neu gewonnene Unabhängigkeit wieder aufgeben oder sich in nahezu auswegloser Weise verschulden mussten.
In Rumänien und Bulgarien, wo ich erst im Juli war, sind die damit verbundenen Probleme weit¬aus gravierender, in Rumänien arbeiten noch fast 43 % aller Beschäftigten in der Landwirtschaft, in ländlichen Gebieten sogar über 70 % der Arbeits¬kräfte.
Nur zwischen 0,1 und 1 % der ländlichen Bevölkerung haben in Rumänien einen Universitätsabschluss; fast 8 % der ländlichen Bevölkerung haben keinerlei Schulbildung.
Über 72 % der Höfe sind kleiner als 3 ha und werden unter den neuen Wettbewerbsbedingungen kaum wirtschaftlich betrieben werden können.
Aufgrund dieser Ausgangsbedingungen lassen sich westliche Entwicklungskonzepte nur mit allergrößten Problemen auf die MOEL übertragen – zumindest nicht mit der Geschwindigkeit, die durch die Erfüllung des „acquis communautaire“, dass heißt der vollständigen Übernahme des EU-Rechts – eigentlich vorgegeben ist.
Nur ein sehr kleiner Teil der Bauern in den MOEL wird im zunehmenden globalen Wettbewerb bestehen können. Von den zehn aktuellen Beitrittsländern trifft diese Prognose insbesondere auf Polen zu.
● Aufgrund der Kleinststruktur in Polen wird der Anteil der Wachstumsbauern hier besonders klein sein.
● Ein weiterer, noch kleinerer Teil wird überleben können, indem er ökologische und regionale Nischen besetzt, die auch für die internationalen Märkte interessant sind, etwa bei Gewürzen oder Heilkräutern oder handarbeitsintensiven Obstarten (Beerenobst).
Geprüft werden sollte, welche innovativen Elemente einer multifunktionalen Landwirtschaft unter den mittel- und osteuropäischen Bedingungen entfaltet werden können.
Gute Chancen dafür bieten beispielsweise die relativ niedrigen Arbeitslöhne sowie die große biologische und landschaftliche Vielfalt.
Aber der duale Charakter der Landwirtschaft in den MOEL bedeutet, dass nicht nur in diese auch nach konventionellem Verständnis wettbewerbsfähigen Bereiche investiert werden muss.
Der weitaus größere Teil der Landwirtschaft besteht aus Betrieben, die im Grunde Subsistenzwirtschaft betreiben.
Diese Betriebe spielen eine bedeutende Rolle als soziales Sicherungssystem in ländlichen Gebieten. Auf das kann auf mittlere Sicht nicht verzichtet werden.
Auch wenn man nur 50 % der durchschnittlichen Produktivität eines landwirtschaft¬lichen Betriebes in der EU erreichen wollte, würde dies in den 10 MOEL-Beitrittsländern mindestens 4 Millionen Menschen ihren Arbeitsplatz kosten.
Die gesellschaftlichen Kosten, die die persönlichen Schicksale dieser Menschen bedeuten würden, lassen sich nicht beziffern.
Es ist völlig unstrittig, dass die geschilderten Entwicklungen nicht mehr aufgehalten werden können – sie können nur noch in ihren Folgen für die Betroffenen abgemildert werden.
Vor allem aber müsste es in den EU-Ländern und den MOEL zu einer realistischen Debatte darüber kommen, welche Leistungen man von der Landwirtschaft als Teil der Ökonomie erwartet und welche nicht unmittelbar marktfähigen Leistungen sie für die Menschen erbringen sollte, die in ländlichen Regionen leben.
Beide Zielbereiche werden nur in Kooperation und nicht in Konfrontation erfüllt werden können, wenn
● das natürliche Kapital der ländlichen Regionen, insb. deren Biodiversität erhalten wird;
● das Schicksal armer Bauern und armer ländlicher Gegenden besondere Aufmerksamkeit erfährt, da sie auf mittlere Sicht keine Wettbewerbsfähigkeit herstellen können;
● die GAP so verändert wird, dass sie ausreichend Zeit für Anpassungsprozes¬se lässt, da die sozialen Kosten den Gewinn durch Produktionssteigerungen sonst bei weitem überschreiten,
● hohe Aufmerksamkeit auf die Förderung lokaler und regionaler ökonomischer Strukturen gerichtet wird, da so die traditionellen ländlichen sozialen Sicherungssystemen graduell erhalten und weiter genutzt werden können.
Um keinen Schiffbruch zu erleiden, ist es notwendig, bei der Integration der MOEL in die GAP nicht allein die Probleme der Landwirte und ihrer Betriebe, sondern darüber hinaus die der ländlichen Räume zu sehen.
Gerade unter den Bedingungen der Globalisierung erfordert die Wettbewerbsfähigkeit der ländlichen Regionen der MOEL zumindest zunächst eine starke Förderung des Aufbaues lokaler und regionaler Strukturen.
Bislang sind diese ländlichen Regionen nämlich nicht nur durch die Verschlechterung der landwirtschaftlichen Produktionsbedingungen negativ betroffen.
In der Regel leiden sie auch sonst unter gravierenden Standortnachteilen wie schlechte Infra¬struktur, vor allem wenig effiziente öffentliche Verkehrsmittel, schlechte Gesundheitsversorgung, keine ausrei¬chenden Bildungsangebote.
II.
Zum EU-Beitritt der Republik Polen
Polen wird das mit Abstand größte Beitrittsland sein. Auch das Land mit dem größten Agrarpotenzial.
● Von der Land- und Forstwirtschaft leben in Polen knapp vier Millionen Menschen.
● Das Land hat 1,9 Millionen landwirtschaftliche Betriebe.
● 55 % der Höfe sind kleiner als fünf Hektar.
● Es gibt in Polen mehr Milchproduzenten als in der gesamten EU-15.
In der polnischen Landwirtschaft besteht eine Diskrepanz zwischen dem Anteil dieses Sektors am BIP (4,2%) und dem Anteil an der Gesamtbeschäftigung (24,7%).
Diese Diskrepanz erscheint als „Überbeschäftigung“.
Tatsächlich handelt es sich jedoch um verdeckte Arbeitslosigkeit.
Im großen Ausmaß der verdeckten Arbeitslosigkeit unter den Mitgliedern der im ländlichen Raum lebenden Familien sehe ich das soziale Hauptproblem im Prozess der EU-Integration Polens.
Der Beitritt Polens zur Europäischen Union bedeutet die umfassende Einbindung des Landes in das institutionelle, politische, rechtliche und ökonomische Gefüge der EU auf der Basis des bestehenden „acquis communautaire“.
Zu diesem Vorgang gehört aus rechtlicher Sicht die Übernahme und Anwendung der Gesamtheit der europäischen Gesetzgebung.
Die schrittweise Anpassung der nationalen Vorschriften und Normen an das geltende EU-Recht – und dabei handelt es sich um einen zentralen Bestandteil des „acquis“ – ist eine gewaltige Aufgabe.
Mit dem Erlass von Gesetzen und Verordnungen allein ist es nicht getan. Gerade die agrarrechtlichen Instrumente und Leistungen der EU können nur dann ihren Nutzen entfalten, wenn sie in der täglichen Praxis angewendet und vollzogen werden.
Nun mag man zur Bürokratie stehen wie man will, auch mir ist sie viel zu groß, trotzdem muss man mit ihr leben. Sonst geht man leer aus.
Das ist meine 12-jährige Erfahrung als Vorsitzende einer Agrargenossenschaft unter den Bedingungen der GAP.
Der Aufbau der notwendigen Verwaltungsstrukturen ist eine unerlässliche Aufgabe, um z. B. Preisgarantien, ländliche Entwicklungshilfen oder Direktzahlungen realisieren zu können.
Diese Aufgabe ist schon vor dem Beitritt zu bewältigen. Wie schwierig es ist, wie viel Zeit und Mühe es kostet, eine gut trainierte administrative Infrastruktur zu schaffen, hat gerade Polen zu spüren bekommen.
Beispiel: Das Land hat lange Zeit nicht die Bedingungen zur Nutzung des SAPARD-Instrumentes, einer Vorbeitrittshilfe erfüllt. Und damit floss kein Geld.
Tatsächlich ist die Vielfalt der Audit- und Kontrollanforderungen „aus Brüssel“ groß und mehr als ärgerlich. Die Erfahrung lehrt jedoch eines: Jede Nachlässigkeit im Umgang mit öffentlichen Geldern rächt sich früher oder später.
So gesehen, sind die Anstrengungen zum Aufbau einer leistungsfähigen und zuverlässigen SAPARD-Verwaltung eine Investition in die Zukunft.
Die Erfahrungen, die beim Aufbau von SAPARD gewonnen wurden, werden sich beim Vollzug der gemeinsamen Agrarpolitik und vor allem der Politik der ländlichen Entwicklung nach dem Beitritt auszahlen.
(Für SAPARD in Polen stehen jährlich rund 170 Mio an EU-Mitteln bereit)
Die EU-Kommission schätzt ein, dass der Stand des Aufbau des polnischen Verwaltungs- und Kontrollsystems zur Anwendung der Direktzahlungen noch unzureichend ist.
Ohne dass dieses System wirklich funktioniert, ist aber an die Auszahlung der gemeinschaftlichen Direktzahlungen nicht zu denken, auch wenn in Polen ein im Vergleich zur „Alt“-EU vereinfachten System zur Durchführung der Direktzahlungen zur Anwendung kommt.
Mit dem vereinfachten System gehen erhebliche administrative Erleichterungen einher. Das gilt vor allem im Hinblick auf die Tierprämien, aber auch für die Flächenerfassung und -kontrolle.
In den Beitrittsverhandlungen hat die Frage der Direktzahlungen von Anfang an eine zentrale Stellung eingenommen. (Diskussion Mitglieder 1. und 2. Klasse).
Die Direktzahlungen werden in Polen schrittweise, also mit einem anfangs niedrigerem Niveau eingeführt. Erst nach Jahren sollen die Landwirte nach den gleichen Regelungen behandelt werden wie die Landwirte der alten EU-Länder.
Die Begründung hierfür liegt in der Agrarstruktur.
Aufgrund der Defizite und Produktivitätsprobleme in großen Teilen des polnischen Agrarsektors ist sicher nicht zu bestreiten, dass die polnische Landwirtschaft in erster Linie nicht strukturerhaltende Einkommensbeihilfen benötigt, sondern vor allem Mittel zur Modernisierung und Restrukturierung.
Aus diesem Grund bietet die EU ein Paket an Mitteln und Maßnahmen der ländlichen Entwicklung an. Polen und die anderen Beitrittsländer werden mehr Mittel für ländliche Entwicklung aus der Abteilung Garantie des Europäischen Agrarfonds erhalten als die 15 Altmitglieder.
Dazu kommen zusätzliche Gelder aus der Abteilung Ausrichtung. Deren Höhe hängt jedoch wesentlich davon ab, welchen Stellenwert Polen selber der ländlichen Entwicklung bei der Aufstellung der Ziel-1-Programme einräumen wird.
Mein Ratschlag dazu ist eindeutig: Angesichts der Probleme, denen sich die ländlichen Räume in Polen gegenüber sehen, sollte die Politik der ländlichen Entwicklung höchste Priorität genießen.
Bei meinen Besuchen in Polen habe ich den Eindruck gewonnen, dass die Vielfalt und die Gestaltungsmöglichkeiten, die die EU-Förderpolitik für die ländliche Entwicklung und die Landwirtschaft bieten, noch nicht ausreichend bekannt sind.
Zugleich habe ich erfahren, dass in Warschau an einen Maßnahmenkatalog für EU-finanzierte Programme gearbeitet wird, um so den agrarstrukturellen Wandel wirksam zu begleiten. Ich kann nicht sagen, wie weit inzwischen diese Arbeit gediehen ist.
Auf jedem Fall sollten zu den Bestandteilen eines Operationellen Programms für den Zeitraum von 2004 bis 2006 unter anderem gehören
● die einzelbetriebliche Investitionsförderung,
● die Junglandwirteförderung,
● die berufliche Fort- und Weiterbildung,
● die Diversifizierung landwirtschaftlicher Aktivitäten
● die Verbesserung der Verarbeitung und Vermarktung landwirtschaftlicher Produkte.
Notwendig sind auch Begleitmaßnahmen wie
● Agrarumweltprogramme,
● die Einführung einer Landabgaberente (Ist besonders wichtig, um Flächen für die Vergrößerung potenzieller Wachstumsbetriebe zu mobilisieren)
● die Förderung benachteiligter Gebiete,
● die Aufforstung landwirtschaftlicher Flächen,
● ein gesondertes Programm zur Unterstützung von Subsistenzlandwirten.
Unverzichtbar ist ein geordnetes Flächenmanagement. Der An- und Verkauf von Flächen, aber auch deren Tausch ist für eine erfolgreiche agrarstrukturelle Entwicklung von grundlegender Bedeutung.
Ein Flächenmanagement ist unerlässlich, um wachstumswilligen Betrieben genügend Spielraum zu geben, aber auch um die Voraussetzungen für Infrastrukturvorhaben zu schaffen, etwa im Straßenbau. (In Deutschland befassen sich damit die gemeinnützigen Landgesellschaften)
Die größte Herausforderung für die polnische Agrarpolitik bilden die Subsistenz- und Semisubsistenzwirtschaften
● Nach der polnischen Statistik fallen rund 50 % der rund
1,9 Mio. Agrarbetriebe in die Kategorie der Subsistenz- und Semisubsistenzwirtschaften.
Sie bewirtschaften etwa ein Drittel der gesamten polnischen Agrarfläche.
● Es handelt sich hier um Betriebe, die nur für den Eigenverbrauch (12,7%) oder mehr für den Eigenverbrauch als zum Verkauf (37,4%) produzieren.
● Ihr Haupteinkommen besteht aus Renten und Gelegenheitsarbeiten.
Viele polnischen Landwirte sind keine „echten“, denn nur ein geringer Anteil der Landwirte bezieht seine Einkünfte ausschließlich aus der Landwirtschaft.
Die Anpassung an Sanitär- und Veterinärstandards und andere lebensmittel-rechtliche Anforderungen der EU ist unverzichtbar. Viel ist bereits geschehen.
Das betrifft insbesondere
● die Anpassung der Gesetze, Verordnungen, Richtlinien und der Institutionen an die EU
● die Realisierung von Modernisierungsinvestitionen (Hierfür wurden größere Summen an Mitteln mobilisiert, insbesondere über Kapital westlicher Lebensmittelkonzerne)
Beispiel: In relativ kurzer Zeit nach Einführung neuer, mehr restriktiver Qualitätsnormen für Milch (Streichung der 3. Klasse) konnte der Anteil der Rohmilch in der „Extra“-Klasse von nur 8% in 1997 auf 41% in 2000 wachsen. Heute dürfte dieser Anteil noch höher liegen.
Trotzdem wird damit gerechnet, dass dieser Prozess in den ersten Jahren nach Polens EU-Beitritt fortgesetzt werden muss – und zwar wegen der sehr hohen Kosten!
Polen hatte deswegen in den Verhandlungen mit der EU Übergangszeiten beantragt. Dem wurde zum Teil entsprochen.
In Polen gibt es rund 4.000 Fleischverarbeitungsbetriebe, davon sind viele nur kleine Firmen. Klar ist, dass kleine Fleischverarbeitungsbetriebe die gleichen Anforderungen an die Sicherheit im Hinblick auf die Gesundheit der produzierten Lebensmittel erfüllen müssen, wie die großen Betrieben. Der Ursprung der Waren muss genauso dokumentiert werden.
Kleine Fleischbetriebe sind verpflichtet, zu unverrückbaren Fristen die Anpassung an Anforderungen abzuschließen.
Aus ökonomischen oder sanitären Gründen werden viele kleinere Schlachthöfe schließen müssen.
Allerdings umfassen die Kapazitäten der Fleischbetriebe, die bereits die EU-Anforderungen erfüllen, 80% der Gesamtfleischproduktion (laut polnischen Schätzungen).
Polen sollte von keiner sehr großen Steigerung seiner Agrarexporte in die EU-15 ausgehen.
Erstens sind die EU-Märkte gesättigt.
Zweitens werden sicher Jahre vergehen, bis alle Molkereien, Fleischverarbeitungsbetriebe etc. die EU-Standards erfüllen. Erst dann sind ihre Erzeugnisse auf dem EU-Binnenmarkt verkehrsfähig.
Wichtig ist, die Märkte der GUS-Staaten zu pflegen und auszubauen. Sie sind die natürlichen Exportmärkte für Polen.
Außerdem sind die GUS-Märkte attraktiv wegen
● wegen geringerer Qualitätsanforderungen und
● wegen geringer institutioneller und struktureller Hürden im Vergleich mit dem EU-Markt (weniger Bedeutung haben da konzentrierte Handelsketten, nicht so kostspielige formale Prozeduren)
● wegen der spezifischen Vorlieben der Verbraucher besonders in Russland, Weißrussland und der Ukraine für polnische Erzeugnisse (z.B. wird ein hoher Fettanteil bei Fleischprodukten, anders als in der EU, positiv gesehen).
Zum Abschluss möchte ich darauf hinweisen, dass die EU-Osterweiterung mit einer umfassenden, erst kürzlich vom Agrarrat in Luxemburg beschlossenen Reform der GAP, einer zu erwartenden Reform der Strukturfonds und den WTO-Verhandlungen sowie mit erheblichen Haushaltsproblemen in den Staaten der EU-15, so auch in Deutschland, zusammen fällt. Hieraus werden mit Sicherheit neue, noch nicht voll absehbare Probleme erwachsen.