Haushalt unter EU-Kuratel – Maastrichter Währungsverfassung muss aufgebrochen werden

erschienen in „Neues Deutschland, 25. November 2003

Die EU-Kommission verlangt von der Bundesregierung, in 2004 das „strukturelle Haushaltsdefizit“ zusätzlich zu senken. Neben den ohnehin von Rot-Grün beschlossenen sozialen Einschnitten, über die sich der Bundesrat noch vor Weihnachten einigen soll, hätte diese Forderung aus Brüssel weitere Einsparungen bis zu 6 Milliarden Euro beim Bund, den Ländern und Sozialkassen zur Folge – und damit einen noch rigideren Sozialabbau.

Die Kommission argumentiert, das Defizit-Verfahren müsse sein, weil Deutschland 2004 zum 3. Mal das Maastrichter Drei-Prozent-Kriterium bei der Neuverschuldung überschreite. Mit ihrer Entscheidung, die von der CDU/CSU im Interesse weiterer Kürzungen am Arbeitsmarkt unterstützt wird, setzte sich die Kommission über Eichels Einwände hinweg, wonach der Stabilitätspakt nicht „mechanistisch“ angewandt werden dürfe. Der Finanzminister kam mittlerweile zur Erkenntnis, dass eine Konsolidierung der Staatsfinanzen den konjunkturellen Aufschwung 2004 gefährde.

Heute werden die Euro-Finanzminister im Ecofin-Rat über das Spardiktat entscheiden, von dem neben Deutschland auch Frankreich betroffen ist. Unabhängig davon, was bei dem ministeriellen Ratschlag herauskommt – eines ist klar: Zur Sanierung der Staatshaushalte soll der Sozialabbau weiter forciert werden. Dabei ist es kaum von Belang, ob die zusätzlichen Kürzungen – wie von Brüssel verlangt – bereits 2004 oder – nach dem Willen der Bundesregierung – zeitlich gestreckt erst 2005 in Kraft treten. Entscheidend sei, die europäischen Sozialstaaten würden einer „gründlichen Aufräumaktion“ unterworfen, betonte Josef Ackermann, Vorstandschef der Deutschen Bank, mit Blick auf das Ministertreffen.

Genau darauf zielen die neoliberalen Spielregeln der Maastrichter Währungsunion. Laut diesen sind eben nicht mehr Parlament und Bundesregierung, sondern die Europäische Zentralbank (EZB) und die EU-Kommission als „Hüter“ der Verträge schlussendlich auch die neuen Herren über deutsche Fiskalpolitik geworden. Sie bestimmen die Spielräume der Finanz- und Haushaltspolitik der Euro-Staaten. Mit willkürlich festgelegten Defizitkriterien und einem Stabilitätspakt, der weder wirtschaftliche Stabilität noch Beschäftigung fördert, zielt das Maastrichter Korsett – indem es die Geldwertstabilität als Hauptauftrag der EZB zum Fetisch erhebt- darauf, eine neoliberale, angebotsorientierte Finanzordnung im Euro-Gebiet durchzusetzen. Eben deshalb muss die Maastrichter Währungsverfassung aufgebrochen werden. Möglich wäre dies dadurch, dass – wie in Teil I des EU-Verfassungsentwurfs angelegt – die EZB verpflichtet wird, eine beschäftigungs- und wachstumsorientierte Geldpolitik zu betreiben, ohne die Euro-Stabilität zu gefährden. Außerdem ist der Stabilitätspakt zu reformieren, damit er Anreize schafft, bei Wirtschaftswachstum Budgetüberschüsse zu erzielen, um Verschuldung abzubauen und in Abschwungphasen ein Gegensteuern zu ermöglichen. Dazu gehört ferner auf EU-Ebene eine rechtzeitige Koordinierung der Geldpolitik der EZB mit der Wirtschafts- und Finanzpolitik der Mitgliedstaaten. Es ist kein Zufall, dass vor allem das deutsche Banken- und Wirtschaftsestablishment derartige Schritte massiv bekämpft. Es befürchtet, dadurch werde die neoliberale „offene Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb“ in der EU untergraben.

Unsere Autorin ist stellvertretende Vorsitzende der Linken Fraktion im Europaparlament