GAP-Reform: Parlament zwischen Kniefall und Selbstbewußtsein

Christel Fiebiger

Das Europäische Parlament verabschiedete heute seine Stellungnahmen zu den Legislativvorschlägen der EU-Kommission für eine Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP). Hierzu erklärt die Abgeordnete Christel Fiebiger:

Das Europäische Parlament hat heute über die Zukunft der Gemeinsamen Agrarpolitik abgestimmt. Einige sprachen von einer historischen Stunde. Die war es wohl nicht. Eher ein Kniefall des Parlaments vor der Kommission. Trotz vieler Änderungen an den Kommissionsvorschlägen wurde im Prinzip deren neoliberale Politik der verstärkten Weltmarktausrichtung der EU-Landwirtschaft abgesegnet.

Freilich hielt sich das Bekenntnis zur Entkopplung der Beihilfen, zu ihrer Kürzung und Umschichtung in Grenzen. Lediglich 271 Parlamentarier stimmten dem diesbezüglichen Cunha-Bericht zu. Das waren 63,5 % der Abgeordneten, die an der Abstimmung teilnahmen; bezogen auf die 623 Mitglieder des Parlaments weniger als die Hälfte (43,5 %). Hierin dürfte sich auch der Frust darüber ausdrücken, dass das Parlament auf dem Hauptfeld tatsächlicher Gemeinschaftspolitik, der Agrarpolitik, keine Rechte zur Mitentscheidung besitzt. Das Parlament wird konsultiert, mehr nicht. Frust auch deshalb, weil in dem gerade erst vom Präsidium des Europäischen Konvents vorgelegten Entwurf für eine EU-Verfassung die Mitentscheidung des Parlaments in der Gemeinsamen Agrarpolitik zwar verankert wurde, jedoch nicht für die wirklich wichtigen Entscheidungen im Bereich der Beihilfen und Marktordnungen. Hier sollen auch künftig die Staats- und Regierungschefs das alleinige Sagen haben.
Ausdruck dieser Situation ist auch, dass EU-Agrarkommissar Fischler in der bereits zwei Tage vor der Abstimmung erfolgten Aussprache über eine GAP-Reform mehr Skepsis zu den Positionen des Parlaments als Entgegenkommen signalisierte.

Auch wenn ich nicht alles teile, hat das Parlament doch Vorschläge unterbreitet, die weder vom Rat noch von der Kommission einfach ignoriert werden sollten. Das betrifft die teilweise und stufenweise Entkopplung der Beihilfen von der Produktion anstatt einer vollständigen Entkopplung, die Ablösung der historischen Bezugsgrößen für die entkoppelten Prämien nach einer Übergangsperiode durch die Kriterien Fläche und Beschäftigung, eine gleichbleibende und nach benachteiligten und übrigen Gebieten differenzierte Kürzung der Direktbeihilfen anstatt einer Jahr für Jahr anwachsenden Kürzung und einiges andere.
Harte Auseinandersetzungen erwarte ich zur Frage der Interventionspreissenkung bei Getreide. Trotz der fast 90 % Ablehnung durch das Parlament, will Fischler daran ebenso festhalten wie an der sofortigen Abschaffung der Roggenintervention. Auch dagegen hat sich das Parlament ausgesprochen. Den Grundstein dafür hatte meine Initiative zur Begrenzung der Intervention auf alternativlose Standorte im Ausschuss gelegt. Andere sattelten auf.
Entgegenkommen zeigte der Kommissar bei der Forderung nach Beibehaltung der Rotationsbrache mit der Möglichkeit, auf diesen Flächen auch künftig nachwachsende Rohstoffe anzubauen zu können.

Die Struktur- und Agrarpolitik wurden bisher als Ganzes verhandelt. Dieser Weg wurde verlassen. Damit scheint mir vorprogrammiert, dass diese zwei wichtigen Säulen für die Entwicklung des ländlichen Raums in der Zukunft in großer Konkurrenz zu einander stehen werden.

Die Berichte fördern den Gedanken, die Bauern werden von bürokratischen Abläufen entlastet. So richtig glaubt niemand daran. Was steigen wird, das ist die Fähigkeit der Kommission, auch auf diesem Weg eine starke bürokratische Macht aufzubauen.

Alles in allem bildeten die Abstimmungen den formalen Abschluss des Konsultationsverfahrens. Aber damit ist der Kampf um eine bessere Agrarpolitik nicht zu Ende. Wir Abgeordneten sollten uns in den weiteren Werdegang der GAP-Reform aktiv einzumischen. Ich werde es tun.