GATS-Liberalisierungen jetzt durch die Hintertür?

André Brie,Sylvia-Yvonne Kaufmann

Zur Erklärung des EU-Handelskommissars Pascal Lamy über das Allgemeine Übereinkommen über den Handel mit Dienstleistungen (GATS) im Rahmen der WTO erklären die PDS-Europaabgeordneten Dr. André Brie und Dr. Sylvia-Yvonne Kaufmann:

In der gestrigen Debatte des Europäischen Parlaments wurde zu Recht massive Kritik an den neuen Liberalisierungsplänen der EU-Kommission laut. So soll demnächst eine breite Palette von Dienstleistungsarten, darunter auch klassische Gemeingüter wie zum Beispiel die öffentliche Wasserversorgung, weltweit wie Waren gehandelt werden können.

In den liberalisierten Bereichen drohen politische Gestaltungsspielräume zunehmend durch Marktmechanismen ersetzt zu werden. Dadurch werden „Umwelt-, Sozial- und Beschäftigungsmaßnahmen nach dem GATS-Abkommen ganz schnell zum Handelshemmnis“, erklärt Dr. Andre Brie.

Bei dem von Pascal Lamy vielbeschworenen „vollständigen Schutz von öffentlichen Dienstleistungen“ handelt es sich bei näherem Hinsehen lediglich um die Bereitschaft, vorerst keine neuen Liberalisierungsangebote im Bereich Audio-Visuelles, Gesundheit und Bildung vorzunehmen. Dies geht aus vor kurzem öffentlichen gewordenen vertraulichen Dokumenten hervor, in denen die Liberalisierungsangebote der EU aufgelistet sind. Lamy verhandelt alleine im Namen der EU, die Parlamente bleiben außen vor und die Abgeordneten erhalten zentrale Informationen nur aus den Medien. Dies ist bezeichnend für den ganzen Verhandlungsprozess.

Dr. Sylvia-Yvonne Kaufmann erklärt: „Obwohl die Kommission in ihrem letzten Angebotsentwurf deutlich zurückrudern musste, sind die Pläne damit noch nicht vom Tisch.“ Im Bereich Bildung, Gesundheit und audio-visuelle Dienste wird es zwar vorerst keine Angebote geben, allerdings stehen wir erst am Anfang der Verhandlungen. „Kein guter Kartenspieler zieht gleich in der ersten Runde alle Trümpfe und so können auch in diesen Bereichen noch Zugeständnisse durch die Hintertür erfolgen“, so Kaufmann weiter.

„Bei dem Liberalisierungsfahrplan handelt es sich um ein One-Way-Ticket“, ergänzt Dr. André Brie, denn einmal beschlossene Liberalisierungen lassen sich aufgrund von drohenden Strafzöllen äußerst schwer zurücknehmen.

Die ‚Konföderale Fraktion der Vereinten Europäischen Linken/Nordische Grüne Linke‘ (GUE/NGL) hat anlässlich der Aussprache im Parlament eine Resolution zum GATS formuliert, in der sie sich deutlich für einen Verhandlungsstopp, eine Auswertung der bisherigen Liberalisierungsfolgen sowie die Ausarbeitung eines internationalen Rechtssystems zum Schutz von kultureller Vielfalt ausspricht. Die PDS im Europäischen Parlament unterstützt nicht nur die Bemühungen um eine gemeinsame, kritische Resolution des Europaparlaments, sondern ebenso die Aktionstage der Stopp-GATS-Bewegung, die am kommenden Donnerstag europaweit stattfinden werden.

Straßburg/Brüssel, den 11. März 2003

Büro Dr. André Brie / Büro Dr. Sylvia-Yvonne Kaufmann
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