Neoliberale Maastrichter Währungsverfassung muss aufgebrochen werden
Zur Entscheidung der EU-Kommission, Deutschland im kommenden Jahr zusätzliche Haushaltssparbeschlüsse aufzubürden, erklärt die PDS-Europaabgeordnete Sylvia-Yvonne Kaufmann:
Die EU-Kommission verlangt von der Bundesregierung, im Jahr 2004 das so genannte strukturelle Haushaltsdefizit um 0,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu senken. Neben den ohnehin von Rot-Grün beschlossenen Einschnitten vor allem in die sozialen Sicherungssysteme hätte diese Forderung weitere Einsparungen in Höhe von etwa 4 Milliarden Euro beim Bund, den Ländern und den Sozialkassen und damit einen noch rigideren Sozialabbau zur Folge.
Die Kommission begründet ihre Entscheidung damit, dass die nächste Stufe des Defizit-Verfahrens entsprechend den Regeln des Stabilitätspaktes eingeleitet werden müsse, weil Deutschland in 2004 zum dritten Mal das Maastrichter Drei-Prozent-Kriterium beim Staatsdefizit überschreiten werde. Damit setzte sich die Kommission über die Einwände von Bundesfinanzminister Eichel hinweg, wonach der Stabilitätspakt nicht „rein mechanistisch“ angewandt werden dürfe, da eine prozyklische Konsolidierung der Staatsfinanzen den wirtschaftlichen Aufschwung gefährde.
Doch nicht die unterschiedliche Auslegung des Stabilitätspakts ist das eigentliche Problem. Eichel müsste eigentlich wissen, dass nach den Spielregeln der in Maastricht vereinbarten Währungsunion nicht mehr die Bundesregierung, sondern die Europäische Zentralbank (EZB) und die Brüsseler EU-Kommission schlussendlich die neuen Herren auch über deutsche Finanzen geworden sind. Mit willkürlich festgelegten Defizitkriterien und dem Stabilitätspakt, der ungeachtet konjunktureller Einbrüche auf ausgeglichene Haushalte orientiert, zielt das Maastrichter Geldstahlkorsett mit Brachialgewalt auf die Durchsetzung einer neoliberalen, angebotsorientierten Finanzordnung. Es erhebt die Geldwertstabilität als Hauptauftrag der EZB zum Fetisch und wirft dadurch das europäische Sozialstaatsmodell peu à peu über Bord.
Von daher geht es darum, endlich die mit der Euro-Einführung den Bürgerinnen und Bürgern auferlegte neoliberale Maastrichter Währungsverfassung aufzubrechen. Erreicht werden kann dies dadurch, dass – wie im EU-Verfassungsentwurf angelegt – die EZB verpflichtet wird, künftig eine beschäftigungs- und wachstumsorientierte Geldpolitik zu betreiben, ohne die Stabilität des Euro zu gefährden. Außerdem muss der Stabilitätspakt schleunigst revidiert werden. Notwendig ist zudem eine Vorabko-ordi-nie-rung der Geldpolitik der EZB mit der Wirtschafts- und Finanzpolitik der Mitglied-staaten auf EU-Ebene.
Straßburg, 19. November 2003