Katastrophale Entscheidung des Europaparlaments zur Embryonenforschung
Zur heutigen Entscheidung des Europaparlaments, das Moratorium hinsichtlich der Stammzellenforschung an Embryonen aufzuheben und diese Forschung künftig mit EU-Mitteln zu fördern, erklärt die PDS-Europaabgeordnete Dr. Sylvia-Yvonne Kaufmann im Namen der PDS-Abgeordneten im Europäischen Parlament:
Die heutige Entscheidung des Europaparlaments ist ein verhängnisvoller Irrweg. Leider hat sich eine Mehrheit des Hauses bereitwillig über ethische und moralische Bedenken und solch heikle Fragen wie den möglichen Missbrauch mit Embryonen hinweggesetzt. Darüber hinaus zeigt sie die Bereitschaft, völlig konträre Gesetzgebungen in einzelnen Mitgliedstaaten rundheraus zu ignorieren. Das sich auch für Deutschland ergebende Dilemma ist nun, dass mit deutschen Geldern Forschung finanziert werden darf, die in der Bundesrepublik gesetzlich verboten ist.
Verbrauchende Embryonenforschung in der EU wird zukünftig weitgehend ohne Einschränkungen finanziert werden können. Die Mehrheit der Abgeordneten im Europaparlament stimmte so gut wie jeden Kompromissvorschlag nieder, der auf eine Begrenzung und Kontrolle der embryonalen Stammzellenforschung gezielt hatte und liberalisierte sogar den problematischen Kommissionsvorschlag noch weiter: Künftig ist die EU-Finanzierung von Forschung an sogenannten überzähligen Embryonen sogar ohne eine Stichtagsbegrenzung möglich. Kein Wunder also, dass der Berichterstatter selbst im Anschluss empfahl, seinen eigenen, nunmehr zur Unkenntlichkeit veränderten Bericht abzulehnen.
Die Entscheidung des Europäischen Parlaments widerspiegelt auch, dass offensichtlich die Lobbyarbeit von Pharmafirmen und Wissenschaftlern, die von der Politik massiv eine Aufhebung von Beschränkungen im Forschungsbereich forderten, erfolgreich war. Die Suche nach Alternativen zur verbrauchenden Embryonenforschung gerät somit weiter ins Hintertreffen. Dabei sind neben den moralischen und ethischen Erwägungen vor allem auch die medizinischen Risiken bei der embryonalen Stammzellforschung noch völlig unabsehbar. Insofern zielt die heutige Entscheidung nicht auf das Wohl von Patientinnen und Patienten heute nicht heilbarer Krankheiten. Sie ist eher Ausdruck dafür, dass von nun an ein ungezügelter Wettlauf mit den USA um den wissenschaftlich-technischen Vorsprung aufgenommen werden soll. Ein gefährlicher Wettlauf mit unabsehbaren Folgen.
Straßburg, den 19. November 2003