Das Europa der 25 begibt sich in keine gute Verfassung
Zu den Ergebnissen der Tagung des Europäischen Rats und der Regierungskonferenz zur EU-Verfassung am 12. und 13. Dezember in Brüssel erklären der Vorsitzende der PDS, Prof. Lothar Bisky, und die Europaabgeordnete Dr. Sylvia-Yvonne Kaufmann, Sprecherin der PDS-Gruppe im Europäischen Parlament:
Die Regierungskonferenz zur Annahme des EU-Verfassungsentwurfs ist gescheitert. Die Verabschiedung des Verfassungsentwurfs wurde auf das nächste Jahr vertagt. Nicht die Schaffung eines friedlichen, demokratischen und sozialen Europas stand im Zentrum des Gipfeltreffens, sondern die militärinterventionistische Befähigung der EU als Hilfssheriff der USA sowie der Kampf um Macht und Einfluss in der sich im nächsten Jahr auf 25 Staaten erweiternden EU. Die gemeinsame europäische Idee wurde wie auf dem Gipfel Ende 2000 in Nizza erneut Opfer nationalistischer Egoismen. Das alles lässt nicht Gutes für Europas Zukunft erwarten.
Es ist verheerend, dass die Beschlüsse der Ratstagung über den Ausbau der EU zur Militärmacht noch über die bereits im Verfassungsentwurf enthaltenen Festlegungen – wie die verfassungsrechtlich einmalige Verpflichtung aller EU-Mitgliedstaaten zur Aufrüstung und die Bildung einer Rüstungsagentur – hinausgehen. Nunmehr wurde im Rahmen der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik eine Waffentreue mit der NATO festgeschrieben und so die EU-Sicherheits- und Militärpolitik unter Kuratel der USA gestellt. Es ist bezeichnend, dass Außenminister Fischer diese verhängnisvolle Weichenstellung auch noch als „erhebliche Verbesserung“ des vom Konvent vorgelegten Verfassungsentwurfs lobt. Darüber hinaus wurde auf dem Brüsseler Gipfel die erste Europäische Sicherheitsstrategie verabschiedet, die Krieg als „letztes Mittel“ nicht ausschließt.
Damit steht fest: Zu einer solchen Verfassung Europas sagen wir entschieden Nein. Die PDS lehnt den vorliegenden EU-Verfassungsentwurf ab und ruft alle Friedens- und sozial engagierten Kräfte dazu auf, nunmehr erst Recht verstärkten Druck auszuüben, um während der irischen Ratspräsidentschaft einer Kurskorrektur den Weg zu ebnen. Verhindert werden muss vor allem auch, dass die neoliberale Wirtschaftspolitik in der EU durch eine Verfassung weiter verfestigt wird und dadurch Sozialabbau in den Mitgliedstaaten befördert wird.
Die PDS ist für eine moderne, soziale und demokratische Europäische Verfassung und engagiert sich für eine zivile Europäische Union. Sie hat den europäischen Verfassungsprozess unterstützt, denn wir wollen, dass die erweiterte EU in der Lage ist, die vor ihr stehenden politischen, ökonomischen, ökologischen und kulturellen Herausforderungen im Interesse der Menschen zu meistern.
Für die Zukunft Europas stand in Brüssel viel auf dem Spiel. Der Gipfel aber hat schlicht versagt. Die Chance, eine Europäische Verfassung vorzulegen, die den Erwartungen der Menschen entspricht, blieb ungenutzt.
Unabhängig davon, ob es unter der irischen Präsidentschaft eine Lösung für die institutionelle Reform der EU geben wird: Die PDS ist aus grundsätzlichen demokratischen Erwägungen dafür, dass die Bürgerinnen und Bürger selbst über die künftige Europäische Verfassung entscheiden können. Wir halten mit aller Entschiedenheit an unserer Forderung fest, dass solch ein wichtiges Dokument nur durch einen Volksentscheid in Kraft gesetzt werden darf.
Berlin, den 13. Dezember 2003